Ich armer Tor

Beust I, das Drama aus dem Goethe-Nachlass in Auszügen in der taz. Aufgezeichnet  ■ von Peter Ahrens

Was bisher geschah: Beust (Ole von Beust) will zur Macht und schafft es seit Jahren nicht. Jetzt hat er DEN HERRN (Ortwin Runde) wieder einmal herausgefordert. Weil er jedoch weiß, dass seine Kraft allein nicht ausreicht, möchte er verzweifeln. Hier hilft ihm Mephistopheles (R. B. Schill).

2. Akt. Der Pakt:

BEUST (steht vor einem Plakat des HERRN, depressiv): Nicht darf ich mich zu gleichen dir vermessen. Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt. Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein. Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist, der Menschheit Krone zu erringen?

(Es klopft)

MEPHISTOPHELES: Bin so frei, grad hereinzutreten.

BEUST: Was hat der Herr zu sagen?

MEPHISTOPHELES: Sie scheinen mir aus einem edlen Haus. Sie sehen stolz und unzufrieden aus.

BEUST: Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel. Dafür ist mir auch alle Freud entrissen. So geht es fort. Man möchte rasend werden. Ich steige schon 300 Jahr und kann den Gipfel nicht erreichen.

MEPHISTOPHELES: Das liegt an dir, du bringst ja nichts herbei. Ja, eure Reden, die so blinkend sind, sind unerquicklich wie der Nebelwind, der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt.

BEUST: Was untersteht ihr euch?

MEPHISTOPHELES: Ich merke wohl, ihr seid der Herr im Haus und will mich gern nach euch bequemen. Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhen.

BEUST: Das find ich gut. Da ließe sich ein Pakt, und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen?

MEPHISTOPHELES: Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen. Wenns dir beliebt, so bin ich auch bereit, dir zur Gesellschaft hier zu bleiben.

BEUST: Schon fühl ich meine Kräfte höher, schon glüh ich wie von neuem Wein. Nur keine Angst, dass ich dies Bündnis breche. Wie machen wirs, dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei? Ich wünschte sehr der Menge zu behagen.

MEPHISTOPHELES: (zieht eine Bild-Zeitung aus seinem Mantel hervor) Dies geheimnisvolle Buch, ist es dir nicht Geleit genug? In bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein bisschen Wahrheit, so wird der beste Trank gebraut. Sucht nur die Menschen zu verwirren. Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen.

BEUST: Hast du mir weiter nichts zu sagen?

MEPHISTOPHELES: Ich muss dich nun vor allen Dingen in lustige Gesellschaft bringen. (Zeigt ein Bild von Wagner).

BEUST: Der Mensch, den du da bei dir hast, ist mir in tiefrer innrer Seel verhasst. Ich kann mich nicht bequemen, den Spaten in die Hand zu nehmen. Dies enge Leben steht mir gar nicht an.

MEPHISTOPHELES: Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen. Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen. Nun fort.

BEUST: Ich bin dabei mit Leib und Seel, doch freilich würde mir behagen, ein wenig Freiheit und Zeitvertreib an schönen Sommertagen.

MEPHISTOPHELES: Geh hin und such dir einen andern Knecht.

BEUST: Wozu der Lärm? Schon gut. Lass mich nur schnell noch in den Spiegel schauen. (verschwindet im Bad)

MEPHISTOPHELES: Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern und hüte mich mit ihm zu brechen. Es ist gar hübsch von einem hohen Herrn, so menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen. Er soll mir zappeln, starren, kleben, er müsste doch zugrunde gehn.

(Beust kommt zurück, zwei Gläser in der Hand)

BEUST: Wohlan. Wir wollen stark Getränke schlürfen.

MEPHISTOPHELES: Ich will Champagner Wein.

BEUST: Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.

MEPHISTOPHELES: Gib deinen Trank herbei und fülle die Schale bis an den Rand hinan.

(Beide betrinken sich. Vorhang)

wird fortgesetzt