Filmstarts à la carte
: Geld allein macht auch nicht glücklich

Ein besonders interessantes Kapitel deutscher Filmgeschichte bilden die Musicals der Depressionsära in den frühen 30er-Jahren. Mit ihren Geschichten um Arbeitslosigkeit, Pleiten und schlechte Lebensbedingungen boten die damaligen Musikfilme die perfekte Möglichkeit zur Identifikation mit den großen Träumen ihrer kleinbürgerlichen Protagonisten. Die sind in ihrem Unglück jedoch gar nicht unglücklich und verbreiten eine manchmal etwas penetrante Wir-lassen-uns-nicht-unterkriegen-Stimmung mit eindeutiger Botschaft: Das wahre Glück liegt nicht im Reichtum oder im beruflichen Erfolg, sondern im Privaten. So auch in Paul Martins „Ein blonder Traum“ (1932), wo Lilian Harvey als Zirkusartistin Jou-Jou von der großen Filmkarriere in Hollywood träumt und am Ende doch nur den in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon lebenden Fensterputzer Willy Fritsch abbekommt. Doch: „Einmal schafft‘s jeder“ singt das damalige Traumpaar des deutschen Films gemeinsam mit dem großen Willi Forst und lässt dem Publikum trotz Weltwirtschaftskrise die Illusionen. Ironischerweise sollte es für die in Europa ungemein populäre Engländerin Harvey (deren Sprachkenntnisse es ihr ermöglichten, auch in den englischen und französischen Versionen ihrer deutschen Filme aufzutreten), nach ihrer Emigration 1939 mit der Karriere in Amerika dann auch nicht so recht klappen. Eine Ausstellung zu Lilian Harvey zeigt die Akademie der Künste zur Zeit im Akademiefenster in der Dresdner Bank am Pariser Platz; eine Harvey-Filmreihe im Arsenal läuft noch bis zum 16. September.

„Ein blonder Traum“ 11.9. im Arsenal

Neben Lilian Harvey frönt man im Arsenal in diesem Monat dem „verspielten Film“ von der Avantgarde bis zum Kommerzprodukt. Als größtes Kind der Traumfabrik darf man augenblicklich wohl Tim Burton bezeichnen, der aus seiner Zeit als Trickfilmer bei Disney die Liebe zum Phantastischen und den Hang zur Überspitzung in seine Realfilme hinübergerettet hat. Mit „Mars Attacks!“ (1996) schuf er in Anlehnung an die Monsterfilme der 50er-Jahre eine rasende Satire auf Endzeit-Science-Fiction und allgegenwärtigen Medienrummel. Da sind die Marsmenschen endlich wieder klein und grün (was auch sonst?) und fies, sie fliegen in Untertassen und haben eine verständliche Allergie gegen volkstümliche Hillbilly-Musik. Für den schauspielerisch begabten amerikanischen Präsidenten (Jack Nicholson) und seine repräsentationswütige Gattin (Glenn Close), die den Absturz des Nancy-Reagan-Gedächtniskronleuchters nicht überlebt, kommt diese Erkenntnis zu spät.

„Mars Attacks!“ (OmU) 9./10.9. im Arsenal

Auch Frank Tashlin hatte lange Jahre als Animationsfilmer gearbeitet, ehe er 1950 auf Drängen von Bob Hope seine erste Chance bekam, auch in Real-Spielfilmen Regie zu führen, in denen er oftmals versuchte, die wahnwitzigen Sight-Gags der Warner-Cartoons mit Schauspielern und Komikern wie Jerry Lewis nachzuempfinden. Etwas gemäßigter geht es allerdings in der Komödie „The Girl Can‘t Help It“ zu, die Tashlin 1956 mit Busenstar Jayne Mansfield zusammenführte. Zwar wird die unverbesserliche Exhibitionistin Mansfield, die durch all ihre Filme stets als Karikatur ihrer selbst wandelte, bereits in ihrer ersten großen Rolle zum Opfer einer Reihe von Gags, die sich auf ihre körperlichen Attribute beziehen (Milchflaschen an der Brust u.ä.) - doch mehr als der eher kindische Humor des Films überzeugen seine musikalischen Aspekte: Erstmals waren in einer großen Hollywood-Filmproduktion die bedeutenden Stars der ersten Rock-`n‘-Roll-Ära (Little Richard, Gene Vincent, Fats Domino, Eddie Cochran) zu sehen. Allzu wüst durfte es trotzdem nicht zugehen: Das wilde Gitarrensolo in Eddie Cochrans „Twenty Flight Rock“ wurde einfach herausgeschnitten.

„The Girl Can‘t Help It“ 10.9. im Central

Lars Penning