Senat diskriminiert

Die Stadt vergisst bei Planungen behinderte Menschen – und verstößt dabei gegen das Gleichberechtigungsgesetz

Der Landesbeauftragte für Behinderte, Martin Marquard, und Sozialsenatorin Gabriele Schöttler haben gestern den eigenen Senat kritisiert: Bei der Planung städtischer Projekte würden behinderte Menschen nach wie vor diskriminiert. Dies soll eigentlich das so genannte Landesgleichberechtigungsgesetz verhindern. Das Gesetz, vor zwei Jahren in Kraft getreten, schreibt die Gleichstellung Behinderter fest. Zum Teil kommt es zu gravierenden Verstößen“, sagte Marquard und listete sie in einem Bericht an das Abgeordnetenhaus auf 50 Seiten penibel auf.

Besonders ärgert er sich über die Planungen für das Olympiastadion. Sie sehen 130 Plätze für Rollstuhlfahrer vor, nach Ansicht Marquards müssten es 700 sein. Zudem liegen die Plätze fast ausnahmslos in den Stadionkurven. Von dort ist der Blick auf die andere Spielfeldhälfte schon für gesunde Menschen problematisch – Marquard hätte sich für Rollstuhlfahrer mehr Raum auf der geraden Tribüne gewünscht: „Der komplette Umgang wäre geeignet. Diese Option wurde aber für VIP-Logen geopfert.“

Als weiteren prominenten Fall von Diskriminierung nennt sein Bericht das Holocaust-Denkmal. 2.700 eng stehende Stelen rufen bei gesunden Betrachtern zwar die erwünschte Beklemmung hervor. Rollstuhlfahrer können laut Marquard jedoch in den engen Gängen nicht abbiegen, geschweige denn wenden. Hinzu kommen Steigungen, die auf Rädern nicht zu überwinden sind. „Rollstuhlfahrer, Geh- und Sehbehinderte werden praktisch ausgeschlossen.“

Handlungsbedarf sieht der Behindertenbeauftragte auch bei der Integration Studierender und beim gemeinsamen Schulunterricht behinderter und nicht behinderter Kinder. Hier vermeldet er jedoch auch Positives: Nach seiner Intervention stellte die Stadt für das neue Schuljahr 60 zusätzliche Sonderpädagogen ein. Auch bei den geplanten Kontrollsperren in der U-Bahn ging der Senat nach Marquards Hinweis auf die Bedürfnisse behinderter Menschen ein: Falls die Verkehrsbetriebe das System tatsächlich einführen, dann mit rollstuhlgerechten Durchgängen.

Die Abstimmung zwischen den Senatsverwaltungen und dem Landesbeauftragten lässt laut Marquard noch zu wünschen übrig: „Häufig erfahre ich durch Zufall von Projekten und rufe dann die Senatsverwaltungen an. Das muss eigentlich umgekehrt laufen.“ Ebenso wichtig wie das Gesetz seien die Anwendung und eine entsprechende Überwachung, betonte Senatorin Schöttler. „Behindertengerechtes Bauen ist eine Frage der Planung, nicht der Kosten. Eine breite Tür ist nicht teurer als eine normale.“ ULRICH SCHULTE