unterm strich
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Wer in der Hamburger Musikhalle eine Rede hält, ist allein Sache des dortigen Hausherrn. Und das gilt auch für den 3. Oktober, den Tag der Deutschen Einheit. Nach Wunsch des Hamburger Generalmusikdirektors Ingo Metzmacher wird es nun eben Gregor Gysi sein. Dagegen schreitet auch die Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss nicht ein – wie vom Wahlkämpfer und Vorsitzenden der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion, Ole von Beust, in üblich übler populistischer Manier gefordert. So weit, so gut. Gysi wird also vor der feierlichen Aufführung von – dreimal darf man raten, weil das Programm, ach gar so originell ist – „Beethovens Symphonie Nr. 9 sowie Schillers ‚Ode an die Freude‘“ seinen Sermon zum Besten geben.

So einfallsreich wie das stete Beethoven-Konzert ist die Einladungspraxis überhaupt. Letztes Jahr zum Beispiel hieß der Redner Peter Sloterdijk. „Wir suchen uns für diesen Konzerttermin ganz bewusst originelle, intelligente Querdenker, sagt Metzmacher zu seiner Entscheidung für Gysi. Bleibt nur die Frage, wer ihm den Floh ins Ohr gesetzt hat, dass ausgerechnet Gysi ein origineller Querdenker sei. Gibt es dafür irgendeinen Beweis, einen Beleg? Vielleicht die Tatsache, dass Gysi ganz freiwillig und ohne Not zu Milošević hoppelte, in Zeiten des Kosovo-Konflikts? Um den schon damals im Verdacht der Kriegsverbrechen stehenden Nationalisten seiner Nomenklatura-Solidarität zu versichern? Verwundert unter diesem Gesichtspunkt an der Einladung nicht besonders, dass der Generalmusikdirektor zu den rund 60 Unterzeichnern der „Künstlerinitiative“ gehört, die sich gegen den Einzug des Rechtspopulisten Ronald Schill in das Hamburger Parlament ausgesprochen haben?