Welcome, Mr. Malone

Die deutsche Medienpolitik hat den Ausverkauf des Fernsehkabels anUS-Investoren verschlafen. Und so gelten bald „amerikanische Usancen“

von STEFFEN GRIMBERG

Die Situation ist schon bizarr: Da hat also der US-Konzern Liberty Media die letzten sechs noch zum Verkauf stehenden regionalen Kabel-Gesellschaften der Deutschen Telekom übernommen. Und angeblich weiß niemand, was er damit vorhat.

Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Fernsehen machen. Gegen Bares. Eben Pay-TV. Dazu wird mit einem verhältnismäßig geringen Betrag – im Gespräch sind laut Business Week etwa 400 Millionen US-Dollar – das marode Telekom-Netz nachgerüstet, auf dass in der digitalen Zukunft ein paar mehr Programme und simple interaktive Dienste laufen. Und Liberty-Chef John Malone wird kräftig die Hand aufhalten, damit zumindest der Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro wieder reinkommt.

Der sich jetzt landesweit erhebende Protest bei Senderchefs, Medienwächtern und Politikern ist dabei ein bisschen unehrlich – denn Bezahlfernsehen ist Kabelfernsehen schon heute. Gelöhnt wird aber nur für die Technik, für das Durchleiten des TV-Signals an jene rund 18 Millionen TV-Haushalte, bei denen das Programm durch den Draht kommt. Die Kabelgebühren – laut „Jahrbuch Fernsehen“ bei voll ausgebautem Dienst mit 33 TV-Kanälen rund 27 Mark monatlich – streicht allein der Netzbetreiber ein, die Sender bekommen nichts. Im Gegenteil: Sie müssen ihrerseits noch für die Verbreitung via Kabel zahlen.

Mit den Feinheiten dieses leidlich absurden deutschen Sondermodells werden sich die neuen Herren des Kabels – neben Liberty Media das US-Unternehmen Callahan und die britische Investorengruppe Klesch – aber voraussichtlich nicht allzu lange aufhalten. Zwar orakelt in der Frankfurter Rundschau Norbert Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen und derzeit Chef der deutschen Medienaufseher, dass die „amerikanischen Eigentümer die amerkanischen Usancen sehr gut kennen; wir hoffen, dass sie sich mit den deutschen möglichst bald bekannt machen“.

Doch die deutsche Medienpolitik hat ihren Einsatz gegen die dräuende feindliche Übernahme des TV-Kabels schlicht verschlafen. Bzw., da die Netze schließlich von der noch zu rund 40 Prozent bundeseigenen Telekom feilgeboten wurden, wohl auch gar nicht ernsthaft geplant.

Die „amerikanischen Usancen“ bedeuten nun schlicht, dass der im Aktendeutsch „Kabelbetreiber“ geheißene Medienunternehmer entscheidet, was er seinen Kunden zu welchem Preis anbietet. Die „Einmal bezahlen – alles sehen“-Ära ist zu Ende. Natürlich werden auch in Zukunft so alle Programme im Kabel zu finden sein. Wer aber wie bisher die volle Ladung will, dürfte deutlich mehr bezahlen.

Nun machen die im VPRT vereinten privaten Sender in selten einmütigem Verbund mit ihrer öffentlich-rechtlichen Konkurrenz Front gegen den Liberty-Deal: Formal geht es um bestimmte Ausstiegsklauseln, auf die Liberty-Boss John Malone beim Vertrag mit der Telekom besteht. So lange nicht offen gelegt werde, welche Sonderkonditionen die Telekom Liberty Media eingeräumt habe und sich weder das Kartellamt noch die deutsche Medienpolitik ihre Zuständigkeiten durch die Liberty-Milliarden „abkaufen“ ließen, sei die „Tinte unter dem Vertrag relativ wertlos“, sagte VPRT-Präsident und Sat.1-Geschäftsführer Jürgen Doetz. Dabei dürften zumindest den Privatsendern amerikanische Zustände alles andere als Unrecht sein: Schließlich können sich zumindest die erfolgreichen Programme in den USA eine schöne Scheibe von der „cable-fee“ abschneiden.

Hinter den harschen Tönen liegt im Fall Liberty denn auch vor allem Angst vor künftiger Konkurrenz: Der Konzern kontrolliert nicht nur indirekt ein gutes Stück der größten europaweit agierenden Kabelgesellschaft UPC und Kabelfirmen von Südamerika bis Asien. Liberty Media hält auch wesentliche Beteiligungen an TV-Sendern. Und Konzernchef John Malone, berichtet die US-Fachpresse, soll bei allen Bekenntnissen zur grundsätzlichen Offenheit seiner Kabelnetze inoffiziell keinen Hehl daraus machen, natürlich Programmware des eigenen Ladens bevorzugt anzubieten.

„John Malone denkt nur an John Malone“, schrieb die Denver Post – dort hat die Liberty-Konzernzentrale ihren Sitz. Auf die Diskussionen mit der jetzt langsam erwachenden deutschen Rundfunkpolitik, die ihren Einfluss auf die Kanalbelegung im TV-Kabel retten möchte, dürfte sich der 60-jährige Selfmademan ganz besonders freuen: Malone ist erklärter Gegner staatlicher Regulierungsversuche, der schon mal (wie im mittlerweile legendären Wired-Interview) damit angibt, er könnte den Information-Super-Highway viel schneller ausbauen, wenn endlich jemand den Chef der US-Rundfunkbehörde FCC erschösse.

Dass sich Malone nun ausgrechnet für den Telekom-Deal wandelt, ist laut Denver Post eine trügerische Hoffnung: „Er hat noch nie einen Kabel-Deal abgeschlossen, den er letztlich nicht auch steuern konnte.“