Vexierbild gebändigter Natur

Geheimnisvolle Gärten im Künstlerhaus Bethanien: Aus Erinnerungsfragmenten an den väterlichen Garten und aktuellen Eindrücken entwickelt Gabriela Albergaria überschaubare Modelllandschafen

Modelle beflügeln die Fantasie. Sie sind Projektionsflächen, in denen der Betrachter seine Verhältnisse zum realen Umraum träumerisch widerspiegeln kann – erst recht, wenn sie so natürlich erscheinen wie die Miniaturgärten von Gabriela Albergaria. Im Künstlerhaus Bethanien, in dem die portugiesische Künstlerin als Stipendiatin für ein Jahr ein Atelier betreibt, wird nun im Studio III die aus Modell und Fotografien bestehende Arbeit „Floresta“ vorgestellt.

Die Gestalt des Gartens ist thematischer Mittelpunkt in Albergarias Werk. Aus Fragmenten der Erinnerung an den väterlichen Garten und aktuellen Eindrücke entwickelt sie überschaubare Modelllandschafen. Bei „Floresta“ sind die Wege abgesteckt, Büsche und Bäume scheinen dem Auge gefallen zu wollen. Die Inspiration durch den Park des Schlosses Charlottenburg liegt nahe und ist auch schlüssig, schließlich ist der barocke Garten formaler Ausgangspunkt der Beugung der Natur nach menschlichen Willen.

Mit ihren Fotografien vom Modell gerät dieser Standpunkt ins Wanken: Der objektive Blick wird in die subjektive Sicht eines scheinbar Beteiligten überführt. Mit der Öffnung des Entwicklungsprozesses gibt Albergaria ihrer Arbeit eine neue, sehr spannende Richtung. Bislang waren ihre Modelle nämlich nicht Teil der Präsentation, sondern lediglich Arbeitsmaterial im geschützten Atelier.

An die Öffentlichkeit gelangten dagegen die Abbildungen geheimnisvoll illuminierter Situationen, die nicht von ungefähr an die Filme des Regisseurs David Lynch erinnern. Die grell erleuchteten Spots, die scheinbar Nichtssagendes aus der Dunkelheit hervorheben, wecken die Ängste vor einer überraschenden Wendung; vielleicht dass der Boden nachgibt oder ein paar Schritte weiter sich etwas Grauenhaftes aus der undurchdringlichen Schwärze löst.

Die Fotografie, das wird in der Gegenüberstellung vom Modell und seinem Abbild deutlich, fokussiert nicht allein durch die Gesetzmäßigkeiten der Perspektive. Als „Lichtung im Walde“ bezeichnet Albergaria dieses Medium hier und meint damit die kalkulierte Fiktion im Garten, ihrem Ort der Erinnerung und der Vorstellungskraft. Überzeugend gibt sie dem „Irrlichtern“ subjektiver Eindrücke eine Richtung.

Die Macht über den Garten ist trügerisch. „Ich verwende keine lebenden Pflanzen. Ich mache alles künstlich. Was man sieht, ist eine Illusion“, sagt die Künstlerin. Was die in einem Nebenraum ausgestellte Baumskulptur „Ärvore“ auf ganz andere Weise offenkundig werden lässt: Mit dicken Metallbolzen und umwickelten Schnüren setzt die Künstlerin verschiedene Äste exakt, doch mit martialischer Ästhetik zusammen. Wie zur Behauptung seiner eigenen Gesetze treibt der untere Stamm kräftig aus.

Nicht die imaginäre Welt einer Modelleisenbahn, in die ein liebliches Leben von einem Träumer bis in die Gestalt jeden Baumes diktiert wird, ist in den Naturen von Albergaria zu finden, sondern das Vexierbild zwischen gebändigter Natur und ihrem im Verborgenem schlummernden Eigenleben, das die Menschen in gesunder Unruhe belässt.

MICHAEL KASISKE

bis 16. 9., Mi.–So. 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2