Forscher fordern mehr Stammzelllinien

Lediglich 25 embryonale Zelllinien sind derzeit in den USA für die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung nutzbar

Die Forschung an embryonalen Stammzellen bleibt in den USA umstritten. Am Mittwoch beschäftigte sich zum ersten Mal nach der Sommerpause auch der Kongress in Washington mit der Entscheidung von Präsident George Bush, dass eine staatliche Finanzierung nur auf Forschungsvorhaben mit bereits bestehenden embryonalen Stammzellen beschränkt bleiben soll. Harsche Kritik an Bushs Entscheidung äußerte der demokratische Senator Edward Kennedy auf der Kongress-Anhörung. Er warnte davor, dass damit möglicherweise sensationelle Durchbrüche bei der Bekämpfung verschiedener Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer um Jahre verzögert werden könnten.

Für möglich gehalten wird, dass sich eine Mehrheit des Kongresses für eine weniger restriktive Forschungsförderung ausspricht und Bundesmittel auch für die Herstellung neuer embryonaler Stammzelllinien zur Verfügung stellen will. Für den Fall, dass im Kongress ein entsprechender Antrag durchkommen sollte, hat Bush bereits angekündigt, die Umsetzung durch sein Veto zu blockieren.

Bezweifelt wird vor allem, dass die von der Bush-Regierung aufgelisteten 64 embryonalen Stammzelllinien, die angeblich weltweit zur Verfügung stehen, für die Forschung ausreichen. So musste der Gesundheitsminister Tommy Thompsom bereits eingestehen, dass derzeit lediglich 24 oder 25 Zelllinien so weit entwickelt sind, dass sie für die Forschung genutzt werden können. Bei den anderen ist es noch zu früh, um sagen zu können, ob sich daraus brauchbare Zelllinien entwickeln lassen. Auf der Anhörung verkündete Thompsom auch, dass mit der von der Universität von Wisconsin eingerichteten Stiftung eine Vereinbarung über die Nutzung von fünf Stammzelllinien erzielt werden konnte. Die Stiftung, die die Patente für die an der Uni entwickelten Stammzellen besitzt, habe zugestimmt, diese Zelllinien für Forschungsvorhaben zur Verfügung zu stellen. Nur, und das wird vielen Forschern nicht schmecken – wenn es um eine kommerzielle Verwertung geht, besteht die Stiftung auf ihren exklusiven Nutzungsrechten.

Patentstreitigkeiten werden jedoch nicht ausbleiben. So verkündete Joseph Itskovitz-Eldor vom Technion-Institut für Technologie in Israel zu Beginn der Anhörung, dass sein Labor jetzt damit begonnen habe, die ersten Zelllinien nach Übersee zu verschiffen. Eine Erlaubnis von der Universität Wisconsin habe man nicht eingeholt. Die Universität Wisconsin steht auf dem Standpunkt, dass die israelischen Zelllinien ebenfalls unter ihren Patentschutz fallen.

Mehr als fraglich ist, ob die derzeit verfügbaren Zelllinien überhaupt jemals im klinischen Einsatz erprobt werden dürfen. Die meisten dieser Zelllinien wurden zusammen mit Mäusezellen kultiviert. Da die Gefahr besteht, dass die Mäusezellen mit für den Menschen gesundheitschädlichen unbekannten Viren infiziert sind, verbietet sich eine Anwendung am Menschen. WOLFGANG LÖHR