Systematische Lehrerzermürbung

betr.: „Schavans Schulausfall“, taz vom 29. 8. 01

Kultusministerium und GEW streiten in Baden-Württemberg, ob Versprechen eingehalten wurden oder nicht. Es wird mit Zahlen operiert und manipuliert, wobei Frau Schavan munter an den Argumenten der GEW vorbei argumentiert.

Den Presseveröffentlichungen der Landesregierung kann man entnehmen, dass nicht 5.500, sondern genau 4.990 Lehrer eingestellt werden sollten. Natürlich ging es nicht um neue, zusätzliche Planstellen. Es ging um die Gesamtzahl der Einstellungen. Echte Neustellen wurden 800 geschaffen, von denen 660 auf die allseits bekannten Springer entfielen. Tatsächlich wurden also nur 140 echte zusätzliche Lehrerstellen geschaffen.

Interessant ist bei der Frage der Lehrerversorgung, dass mittlerweile 55 Prozent aller Lehrer im Ländle keinen vollen Lehrauftrag mehr haben, sondern nur noch Teilzeitbeschäftigte sind. Dies ist die teuerste Variante, gerade im Beamtentum. Die unbequeme Begründung dafür könnte in der völligen Überalterung, in der Frustration und abnehmenden Leistungsfähigkeit der Lehrer liegen. Hervorgerufen durch systematische Zermürbung durch die Schulverwaltung in Form nicht gehaltener Versprechen und zunehmender Bürokratisierung des Schulbetriebes.

Einfachste Rechenaufgaben und Rechtschreibung werden nicht beherrscht, bei allen Schultypen. Allgemeinbildung Fehlanzeige. Die Ursache, Methodeneinfalt, ist hinlänglich bekannt. Wie soll nun dieser frustrierte Personenkreis plötzlich flexibel, kreativ werden? Wie soll er den Mut zum Ausprobieren haben, nachdem man diesen systematisch abgetötet hat? In allen Veröffentlichungen aus dem Hause Schavan sowie anderer Kultusminister finden sich keine Ansätze.

In Baden-Württemberg fallen 6,9 Prozent der Stunden aus. Lediglich 18,3 Prozent dieser Stunden werden von den 660 Vertretungslehrern abgefangen. In 42 Prozent dieser Stunden stehen die Schüler ohne jede Betreuung da. 39,7 Prozent dieser Stunden werden also in irgendeiner Betreuungsform abgewickelt, die in aller Regel keinen Ersatz für den Unterricht darstellt. Wesentliche Gründe des Ausfalls sind Krankheit (61,2 Prozent) und Lehrerfortbildung (20,6 Prozent). Insgesamt fielen rund 35 Prozent der Stunden durch dienstliche Veranlassung aus. Der Krankenstand ist im Vergleich zu ähnlichen Berufsgruppen zu hoch. Wie lange können wir mit einem solchen Totalausfall die Zukunft unserer Kinder aufs Spiel setzen? RAINER STIEBER, Renningen

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