logik einer affäre
: Einer hebt ab, alle regen sich auf

Man steht etwas fassungslos neben dieser ganzen Scharping-Affäre und weiß nicht so recht, worüber man sich mehr wundern soll: darüber, dass ein Verteidigungsminister lächerliche Badefotos von sich und seiner Freundin machen lässt? Dass er für eine kurze Nacht privaten Vergnügens einen über 100.000 Mark teuren Dienstflug beansprucht? Dass er häufig nach Frankfurt am Main geflogen ist? Dass dies alles schon für einen Rücktritt reichen soll? Dass der Kanzler zusieht, wie einer seiner wichtigsten Minister nicht nur seinen Instinkt, sondern offenbar auch seinen Verstand verliert? Dass die Öffentlichkeit sich empört, aber nicht genau weiß, worüber sie sich eigentlich so aufregt: über die Fotos, die Flüge, den peinlichen Scharping oder die verlorene Bodenhaftung der Politiker schlechthin?

Kommentarvon JENS KÖNIG

Die Geschichte mit Rudolf Scharping kann man scheinbar ganz einfach erklären: Ein liebestoller Minister wird das Opfer seiner eigenen Medieninszenierung. Aber diese Geschichte trägt auch viele irrationale Züge. Aufdringliche Privatfotos haben schon ganz andere Politiker gemacht. Scharping ist auch nicht der erste Politiker, dem man anmerkt, dass er verliebt ist. Die Flugbereitschaft der Bundeswehr wurde, bei der fließenden Grenze zwischen Dienst und Privatleben, schon von vielen Ministern „missbraucht“ – nicht erst seit letzter Woche. Von gravierenden politischen Fehlern, die bei Ministern in den vergangenen Jahren ohne Folgen geblieben sind, mal ganz zu schweigen.

Warum also soll Scharping zurücktreten, wo viele andere bleiben durften? Und worin genau besteht eigentlich Scharpings politische Verfehlung? Der Minister ist vor den Wahlen in Hamburg und Berlin zu einer Belastung für die Regierung geworden, heißt es. Aber warum? Weil die Öffentlichkeit das mal eben so sieht. Nur: Gab es während des Kosovokrieges am Verhalten des Verteidigungsministers nicht weit mehr zu kritisieren als heute?

Die Scharping-Affäre trifft nicht nur – zu Recht – einen Minister, der sie nicht mehr alle beisammenhat. Sie ist auch ein Lehrstück über den jämmerlichen Zustand der Politik und ihrer öffentlichen moralischen Bewertung. Schröder mag das spüren und deswegen vor einer Entlassung Scharpings zurückschrecken. Aber der Kanzler weiß auch, dass ihm das Klagen darüber nichts hilft. Noch eine einzige Unregelmäßigkeit bei einem von Scharpings Flügen, und der Minister ist geliefert. So verlangt es die Logik der Affäre.