Mutiertes Gewitter

■ Dinosaurier des Artschoolrock: Die „Residents“ in der Fabrik

Der Artschoolrock war eine Stilwelle, die das ganze musikalische Füllhorn der siebziger Jahre über den Köpfen des Publikums ausschüttete. Seine US-amerikanische Version wurde von Bands wie Devo, den B-52's oder eben den Residents aus San Francisco kreiert, und zwar weit schriller, verschrobener, zynischer und geschmackloser als bei den britischen Vorbildern. In der Sparte „mutierter Artschoolrock“ sind die Residents als letzte Überlebende der US-amerikanischen Version auch heute noch unschlagbar. Ihre Welt ist ein einziger Mutantenpark des kunstvollen Zitats, des Theatralischen und des Kommerzes. „Buy or die“ schrieben die Residents schon vor zwanzig Jahren auf ihre LP-Cover – und meinten es auch so.

Die Residents bauten ihr musikalisches Imperium von Anfang an auf einer Verneinung auf: Meet the Residents, die erste Platte des Quartetts von 1973, war eine einzige Verballhornung der ersten Beatles-Platte. Und ganz den schicklichen Gepflogenheiten des Rebellentums folgend hassten die erklärten Nicht-Musiker die Beatles – und so ziemlich alles weitere, was sie in den ersten Jahren ihrer Karriere ins Visier nahmen. Dabei lieferten gerade die Fab Four mit ihrer „Magical Mistery Tour“ das Stichwort für die Residents: Sich hinter Masken zu verstecken, anonym zu bleiben und am eigenen Mythos zu weben wurde fortan deren Schicksal. Zum Markenzeichen der Residents avancierten die über den Kopf gestülpten, zu Goldfischglasgröße aufgeblasenen Augäpfel, getragen zum edlen Frack.

Heute beweisen die letzten Giganten des Artschoolrock ihr Talent im Anfertigen von CD-ROMs und nun auch DVDs, von denen aus wahre visuelle Gewitter auf den Betrachter niedergehen. Die Residents haben ihr breites Schaffen – eine wahre Fundgrube an bizarren und ästhetisch überdrehten Bildern und Klängen – auf ihrer DVD Icky Flix zusammengetragen. Man bräuchte die Liebe zum Adjektiv eines H. P. Lovecraft, um die verschrobene Welt der Residents zu beschreiben. Nun, da sie zur Live-Präsentation von Icky Flix und damit zu einem weiten Blick auf ihre dreißigjährige Laufbahn einladen, sollte man nicht zögern – und sich auf eine Bühnenshow einlassen, die ein mutiertes Gewitter und einen pikanten Genuss für Besucher der bizarren Klangkatakomben der anonymen Vier verspricht.

Christian Pfluger

morgen, 21 Uhr, Fabrik