Giftige Wissenschaft

Kampf gegen die Institutionen: Eine Technische Assistentin will, dass die Universität endlich zugibt, sie vergiftet zu haben  ■ Von Sandra Wilsdorf

Für 30 Millionen Mark will der Senat den Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg sanieren. Von Grund auf, verkündete Wissenschaftssenatorin Krista Sager bei ihrer Haushalts-Pressekonferenz. Und das ist nötig: Zwei, die jahrelang im Werkstattgebäude des Fachbereichs gearbeitet haben, behaupten, das Haus habe sie krank gemacht. Der pensionierte Chemieprofessor Matthias Steffen lebt mit einer Hirnschädigung durch Chemikalien, ein Mikrobiologe, ein Chemiker und eine Ökotrophologin sind bereits gestorben. Von waghalsigem Umgang mit Chemikalien spricht Steffen und wirft der Universität Ignoranz vor: „Ich habe wiederholt auf den schlechten Zustand des Labors und defekte Leitungen hingewiesen“, sagt er. Er wurde nicht ernst genommen.

Genauso wenig wie die Technische Assistentin H.K., die seit sechseinhalb Jahren gegen neun verschiedene Behörden kämpft. Sie arbeitete von 1989 bis 1995 im zweiten Stock des Gebäudes. Über ihr übten Lehramtsstudenten im Labor die Didaktik der Chemie. Nach ihren Angaben bahnten undichte Rohre in der Decke regelmäßig Dämpfen und Flüssigkeiten den Weg von oben nach unten. Am 21. März 1995 habe ein aus der Verankerung gerissener Hahn eine Überschwemmung verursacht, defekte Rohre ließen giftige Gase und Flüssigkeiten in K.s Büro durch. Ein Arzt diagnostizierte „Verdacht auf Intoxikation“.

Seitdem ist die 53-Jährige erwerbsunfähig. Ihr zentrales Nervensystem ist geschädigt, sie lebt mit Atembeschwerden, Schmer-zen, Schlafstörungen und geschwollenen Händen. Für die Frührentnerin ist klar, dass es so weit nicht hätte kommen müssen, wären die Rohre nicht erst im Jahre 2000 saniert worden.

Sie kämpft vor dem Sozialgericht darum, dass ihre Krankheit als Berufskrankheit und -unfall anerkannt wird, zwei Gutachter bestätigen das. Einer von ihnen schreibt: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war die Exposition geeignet, Gesundheitsstörungen bei suspectiblen (empfindlichen) Personen auszulösen oder schon bestehende Gesundheitsschäden zu verstärken.“

Doch Uni-Leitung und Landesunfallkasse lässt das kalt. Als K. 1998 behauptet, es wäre billigend in Kauf genommen worden, dass Menschen zu Schaden kommen, wird sie fristlos entlassen. Das Arbeitsgericht macht aus der Kündigung eine Abmahnung. Wie Professor Steffen wird auch K. als versponnen abgetan. Die Uni ließ zwar Messungen durchführen, allerdings „in den Weihnachtsferien oder nachdem die flüchtigen Gase längst verflogen waren“, sagt K.. Nach dem Unfall hätte wegen Explosions- und Brandgefahr sofort die Feuerwehr gerufen werden müssen, „aber man hat mich nicht ernst genommen und nicht einmal umgehende Messungen veranlasst“, klagt sie.

Peter Rinze, an der Uni zuständig für Arbeitssicherheit, sagt dazu: „Da ist mal was passiert, die Abflussleitungen waren korrodiert.“ Ob dadurch jemand zu Schaden kam? „Unsere Messungen haben dafür keine Anhaltspunkte ergeben.“ Und Leonhard Hajen (SPD), damaliger Wissenschaftssenator, dessen Behörde mit dem Fall befasst war, sagt nur: „Ich kann mich nicht daran erinnern.“