Rotes Öhrchen

■ „SoundEar“ macht Lärm sichtbar

Gellendes Geschrei durchdringt den Raum der Bremer Kindergartengruppe. Da blinkt ein rotes Ohr auf – und sofort wird es stiller. „Seitdem das Gerät an der Wand hängt, sind die Kinder deutlich leiser geworden“, sagt Erzieherin Ursula Müller. Seit kurzem kontrolliert das „SoundEar“ den Geräuschpegel in dem Kindergarten.

Der Däne Lars Boldt Rasmussen hat vor zwei Jahren den kleinen schwarzen Kasten, der Lärm sichtbar macht, erfunden. Inzwischen steht das Lärm-Messgerät „Sound-Ear“ bereits in jedem dritten dänischem Kindergarten und in vielen Schulen. Der Apparat sieht aus wie eine Mischung aus neumodischer Wanduhr und Verkehrsampel. Er soll Kinder und Jugendliche vor Hörschaden schützen. Denn nach Akustikexperten klagen immer öfter schon Jugendliche über „Klingeln“ in den Ohren – eine Folge von zu viel Lärm. „Den meisten ist überhaupt nicht klar, was sie ihren Ohren täglich an Krach zumuten“, sagt der Bremer Hörgeräteakustiker Jochen Keibel.

Das „SoundEar“ zeigt sofort an, wenn es zu laut ist. Hinter dem schwarzen Kasten verbirgt sich ein flexibler Lautstärke-Indikator. Je nach Lärmpegel erscheint ein Warnsignal in der Symbolform eines Ohres. Leuchtet das Ohr grün, ist alles okay. Gelb ist die Vorwarnstufe zum Lärm. Erscheinen in der Mitte des Ohres ein roter Kreis und der Schriftzug „Achtung“, ist der Geräuschpegel im Raum überschritten. „Das Gerät ist ein wesentlicher Schritt zur Hörerziehung im Kindergarten“, sagt Keibel. Es sei so einfach, dass selbst die Jüngsten lernen könnten, sorgsam mit ihrem Gehör umzugehen.

Joana ist 5 Jahre alt und findet das blinkende Ohr „toll“. Schnell hat sie verstanden, worum es geht: „Wenn das rot wird, ist das nicht gut für die Ohren, und bei gelb wird es allmählich zu laut.“ Auch der gleichaltrige Jona ist von dem blinkenden Kasten fasziniert: „Jetzt ist es hier viel leiser.“ Sobald das Ohr rot blinkt, stupsen die anderen Kinder die Schreihälse an.

Das Gerät hat 16 verschiedene Einstellmöglichkeiten zwischen 40 und 115 Dezibel. Messungen in Kindergärten haben einen mittleren Schallpegel von bis zu 89,1 Dezibel ergeben. Das entspricht ungefähr dem Lärm eines Presslufthammers. Zu viel Krach könne schon bei den Kleinsten Kopfschmerzen, Müdigkeit, Aggressionen und Stress auslösen, erklärt Keibel.

Wenn es nach ihm geht, sollte der Lärmschutzindikator möglichst schnell auch in deutschen Kindergärten und Schulen installiert werden. „Ein geschädigtes Gehör lässt sich nicht reparieren. Und viele bemerken ihren Hörschaden zu spät.“

Julia Schneidewind, dpa