Linke Sozis werden störrisch

Der Widerstand gegen Schilys Zuwanderungsgesetz formiert sich jetzt auch in der SPD. Abgeordnete fordern Verbesserungen für Flüchtlinge und sprechen von einer „Gewissensfrage wie beim Mazedonien-Einsatz“. Auch Jusitzministerin übt Kritik

von LUKAS WALLRAFF

Von einem ganz, ganz breiten Konsens über die Zuwanderungspolitik mit der Opposition war am Wochenende kaum noch die Rede. Nach der gescheiterten Koalitionsrunde in der Nacht zum Freitag ist Rot-Grün erst einmal damit beschäftigt, die Konflikte in den eigenen Reihen zu lösen. Das wird schwer genug. „Für eine Einigung von den Grünen bis zur CSU reicht meine Fantasie nicht aus“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, gestern der taz. Auch die Chefin der überparteilichen Zuwanderungskommission, Rita Süssmuth (CDU), hält es für „äußerst schwierig“, eine Lösung zu finden, „die zugleich die Grünen und die Union zufrieden stellt“.

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Rudolf Bindig ist es ein „unglaublich breiter Spagat, der hier gemacht werden muss – von Grün und Links-SPD bis zur CSU“. Interessant an Bindigs Formulierung ist vor allem das Wörtchen „Links-SPD“. Denn damit spricht er aus, was Otto Schily und dem Kanzler noch mehr zu schaffen machen dürfte als der viel zitierte „Dissens“ mit den Grünen. Auch in der eigenen Partei mehren sich nun die Stimmen, die Schilys Pläne ablehnen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin ließ ein überaus kritisches Papier verbreiten. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens und der schleswig-holsteinische SPD-Chef Franz Thönnes drängen auf Nachbesserungen.

Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete drohten gestern sogar ganz offen damit, aus Gewissensgründen gegen das Zuwanderungsgesetz zu stimmen, wenn Schily keine Verbesserungen im Flüchtlingsbereich vornimmt. Für den Sprecher der SPD-Arbeitsgruppe Menschenrechte, Rudolf Bindig, greifen bei der Zuwanderung „fast noch stärker als in der Mazedonien-Frage sicherlich Gewissenselemente hinein“.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, versuchte, den Protest herunterzuspielen: „Wer auf Streit innerhalb der SPD spekuliert oder hofft, den werden wir enttäuschen“, sagte Wiefelspütz der taz.

Die Grünen fühlen sich derweil durch die Schily-Kritiker in der SPD gestärkt. Es sei richtig gewesen, in der Koalitionsrunde hart zu bleiben, sagte Cem Özdemir gestern. „Wir haben jetzt die Chance, so an dem Entwurf zu arbeiten, wie wir uns das immer gewünscht haben.“

In den nächsten Tagen werden sich die Innenpolitiker der Koalition noch einmal zusammensetzen und eine Lösung suchen. Wie es dann weitergeht, ist unklar. Özdemir kann sich vorstellen, dass sich Rot-Grün auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigt und gar nicht mehr versucht, eine Einigung mit der Unionsspitze zu finden. Das könne ähnlich laufen wie bei der Steuerreform: „Wir haben ja auch schon Einigungen gehabt, unterhalb der CSU, mit Teilen der Union – warum sollte das diesmal nicht möglich sein?“

Dass die Koalition wegen der Zuwanderung auseinander bricht, kann sich Özdemir „nicht vorstellen“. Er geht davon aus, „dass sich diese Frage nicht stellt“. Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch hatte gesagt, wenn die SPD ein Gesetz ohne die Grünen mit der FDP beschließe, wäre „die Koalition am Ende“. So weit soll es nicht kommen, versicherte gestern auch Wiefelspütz. Eine Lösung ohne die Grünen nannte er „völlig undenkbar und völlig ausgeschlossen, daran denkt kein Mensch“.