Ein erster Schritt. Mehr nicht

Entscheidend wird nun sein, die Regierungen zur Einhaltung der guten Absichtserklärungen der Weltkonferenz gegen Rassismus zu bewegen

aus Durban MARTINA SCHWIKOWSKI

Sklaverei ist „ein Verbrechen gegen die Menschheit und hätte dies auch schon immer sein sollen“. Auf diesen Passus haben sich am Samstagabend die Delegierten der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban nach intensiven Debatten und mit 24 Stunden Verspätung geeinigt und damit das Schlussdokument angenommen.

Eine Entschuldigung für durch Sklaverei und Kolonialismus geschehenes Unrecht haben die Europäer mit Erfolg abgelehnt. Der Westen wollte nicht auf Entschädigungen in echtem Geld verklagt werden. Die afrikanischen Staaten einigten sich mit den europäischen Vertretern auf eine „moralische Reparation“, aus der Schuldenerlasse, Wirtschaftshilfe und Partnerschaft für Afrika und Lateinamerika erwachsen sollen.

Auch wenn diese Paragrafen für das Abschlussdokument verwässert wurden, ist dennoch ein wichtiges Ziel der Konferenz erreicht worden. „Es geht in erster Linie um unsere Würde, die kann nicht mit Geld bezahlt werden“, sagte die Präsidentin der Konferenz, Südafrikas Außenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma abends, nachdem das Dokument ohne umstrittene Formulierungen angenommen war.

Hardliner-Staaten wie Simbabwe und Namibia hatten allerdings ebenfalls Reparationen gewünscht. Ein Kompromiss schien kaum in Sicht. In nächtlichen Arbeitsgruppen hatte Zuma ein neues Arbeitspapier entwerfen lassen, das kurz zuvor schon von den Europäern anerkannt worden war, das die arabischen Länder jedoch entschieden ablehnten. Die Diskussion hielt an. Nach dem Abzug der USA und Israels wegen „antijüdischer Stimmung“ drohten auch die Europäer mit der Heimreise, sollte kein Einlenken möglich sein.

Selbst in den letzten Stunden schien die Konferenz erneut am zweiten großen Thema zu scheitern, das die Woche in Durban nicht nur überschattete, sondern auch wichtige Aspekte und Anliegen dieser Versammlung der Weltöffentlichkeit in den Hintergrund rückte. Die arabischen Länder hatten schon zuvor auf dem Treffen der Nichtregierungsorganisationen sowie auch in der offiziellen Konferenz ihre eigene Tagesordnung, die um jeden Preis durchgeboxt werden sollte: Israel sei rassistisch und solle als Apartheidstaat im Dokument verurteilt werden.

Es war ihnen gelungen, die tausend Nichtregierungsorganisationen zur Niederschrift antiisraelischer Erklärungen zu bewegen, doch in den entscheidenden beiden Sitzungen der Delegierten am Samstag gab es eine Niederlage: Die umstrittenen Absätze, die israelische Politik in den besetzten Gebieten als rassistisch zu bezeichnen, wurden nach Abstimmung gestrichen, und das Dokument wurde angenommen.

Kanada und Australien konnten noch ihre Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der Konferenz ausdrücken, denn die Nahostfrage ist ihrer Meinung nach nicht auf dieser Konferenz zu lösen. Alle Verhandlungsblöcke waren mit eigenen Intentionen angereist, die eigentlichen Opfer von Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz hatten dabei Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Die Dalits, die Unberührbaren, traten in den Hungerstreik, um ihren Forderungen nach Anerkennung Nachdruck zu verleihen. Die 17-jährige Targi aus Niger brach in Tränen aus, als sie von ihrem Verkauf als Sklavin erzählte. Bischof Desmond Tutu rief entsetzt: „Um Himmels willen, könnt ihr euch nicht zusammensetzen und wirklich reden!?“

Am Ende haben die Vermittlungsbemühungen des Gastgeberlandes zumindest in der Hinsicht Früchte getragen, dass es erstmals ein Abschlusspapier als Rahmenplan gegen Rassismus gibt. „Durban ist nicht das Ende, sondern der Anfang“, sagte die UN-Menschenrechtsbeauftragte Mary Robinson. Es ist nicht nur eine gemeinsame politische Erklärung, sondern ein Aktionsplan erstellt worden: Regierungen haben der Aufstellung von nationalen Plänen zugestimmt, in denen Programme gegen die Diskriminierung der 150 Millionen Migranten in aller Welt, Erziehungskampagnen, Gleichstellung am Arbeitsplatz und Antirassismusfonds eingerichtet werden sollen.

Die Konferenz hat erklärt, dass Rassismus und Sexismus besonders Frauen das Recht auf menschliche Würde versagt. Ureinwohner wurden als Völker anerkannt. „Eine moralische Debatte ist eingeleitet worden, das ist ein erster Schritt“, sagte Reed Brody, Verantwortlicher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Entscheidend wird sein, die Regierungen zur Einhaltung dieser Absichten zu bewegen.“