Schily wandert einsam

Kritik am Zuwanderungskonzept des Innenministers jetzt auch in der SPD. Abgeordnete wollen wie beim Mazedonien-Einsatz ihrem Gewissen folgend und damit notfalls gegen Schily stimmen

BERLIN taz ■ Der umstrittene Gesetzentwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) für ein neues Zuwanderungsgesetz wird zu einem echten Problem für Kanzler Gerhard Schröder. Nach der gescheiterten Koalitionsrunde mit den Grünen wächst auch in der eigenen Partei der Widerstand gegen Schilys bisherige Pläne.

Mehrere SPD-Abgeordnete drohten am Wochenende damit, dem Kanzler die Gefolgschaft zu verweigern, wenn der Entwurf des Innenministers unverändert in den Bundestag eingebracht wird. Der Sprecher der SPD-Arbeitsgruppe Menschenrechte, Rudolf Bindig, sagte der taz: „Fast noch stärker als in der Mazedonien-Frage“ seien viele Abgeordnete besorgt, „wenn es darum geht, wie Menschen in Not und Bedrängnis behandelt werden“. Seine Fraktionskollegin Karin Kortmann kündigte an: „Ich werde weiterhin von meinem Recht auf eine Gewissensentscheidung Gebrauch machen.“ In der SPD-Fraktion gibt es erheblichen Unmut, weil Schily wichtige Forderungen der eigenen Parteifreunde ignorierte. So hatte die SPD-Arbeitsgruppe Zuwanderung gefordert, das Nachzugsalter für Migrantenkinder von derzeit 16 auf 18 Jahre zu erhöhen – Schily will es auf 12 Jahre senken. Viele SPD-Abgeordnete wollten auch den Schutz von nicht staatlich Verfolgten verbessern – dies sei in Schilys Entwurf „nicht hinreichend eingearbeitet“, kritisierte Bindig. Für die SPD-Abgeordnete Lilo Friedrich steht fest: „Dem Entwurf, der jetzt vorliegt, könnte ich nicht zustimmen.“ Schily wäre „schlecht beraten“, so Friedrich, „wenn er versuchen würde, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen“.

Nach dem bisherigem Zeitplan soll das Gesetz am 26. September im Kabinett und dann vom Bundestag verabschiedet werden. Doch auch Schilys Kabinettskollegin Herta Däubler-Gmelin hat offenbar massive Vorbehalte gegen den Entwurf des Innenministers. Der Spiegel zitierte gestern aus einer Stellungnahme des Justizministeriums. Darin heißt es, Schilys Entwurf erhöhe in vielen Bereichen die Rechtsunsicherheit und sei teilweise verfassungsrechtlich bedenklich.

NRW-Innenminister Fritz Behrens kritisierte vor der heutigen Innenministerkonferenz in Magdeburg die geplante Absenkung des Familiennachzugalters. Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Franz Thönnes sagte, die Parteibasis sei für eine liberalere Fassung des Gesetzes. „Ich weiß, dass es in vielen Landesverbänden ähnlich ist.“ LUKAS WALLRAFF

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