Elegant fließende Amöben

■ Gilles Jobin mit „The Moebius Strip“ auf Kampnagel

Kaltes Weiß trifft auf hartes Schwarz. Und wenn am Schluss in völliger Dunkelheit Gestalten wie Schatten über weiße, in Reih und Glied ausgelegte Papierblätter huschen, dann verschwimmen die Grenzen von Raum und Körper, und das Innere scheint nach außen gestülpt.

Unspektakulär und ungekünstelt hat der in London lebende Schweizer Choreograf und Tänzer Gilles Jobin seine Zuschauer beim Laokoon-Festival auf Kampnagel durch das Labyrinth einer Choreografie geführt, die jedoch alles andere ist als Schwarzweißmalerei. Ein choreografisches Band hat er ausgelegt, ohne Anfang und Ende, eine endlose, in sich gedrehte Schleife, die ihrem Erfinder nach Möbius-Band heißt. Und in The Moebius Strip tastet sich Jobin zusammen mit vier weiteren Tänzerinnen und Tänzern mittels dieser imaginären Schlaufe an den Grenzen des Körpers entlang, erprobt diesen als Material sowie als Mittel zur Repräsentation. Zwangsläufig ergibt eine der akribisch gesetzen Bewegungen die nächste. Eine Körpermaschine, die sich im immergleichen Fluss der Bewegung vorantastet.

Anfangs sind die fünf Tänzer noch Individuen, betreten lässig in Trainingskleidung die Bühne. Doch der Boden mit seinen schwarz auf schwarz gezeichneten Quadraten gibt ihnen bereits die Bewegungskoordinaten vor. In weißem Hemd und schwarzem Slip, nachdem sie ihre Kleidung am Rande der Spielfläche zu kleinen Haufen gestapelt haben, verwandeln sie sich von Menschen in abstrakte Wesen, tauchen ein in Franz Treichlers doch arg suggestiven Klangraum. Und was in den ersten Minuten noch sehr konstruiert wirkt, wird zunehmend organisch und entwickelt eine verblüffende Bildkraft. An ein Domino-Spiel denkt man da, an lustige Spinnen- und Krabbeltiere, an Zellen, die wie in einer Flüssigkeit aneinander vorbeigleiten, sich teilen oder zu einem amöbenartigen Wesen verschmelzen.

Vom Gehen bis zum Kriechen loten die Tänzer die Fortbewegung auf allen Ebenen aus, klettern dabei mehrmals die Evolutionsleiter hoch und runter. In der Dunkelheit gelingt es ihnen am Ende doch noch zu entkommen. Dann stehen sie am Rand des nun weiß flimmernden Feldes und schauen auf ihre Kleider, die sie dort anstelle ihrer Körper drapiert haben.

Jobin ist ein bemerkenswerter Tüftler, äußerst konsequent in seiner choreografischen Sprache. Faszinierend ist, wie ihm das Wechselspiel von Natürlichkeit und Abstraktion in dieser kleinen stimmigen Arbeit gelingt, der eine kleinere Bühne als die k6 besser getan hätte. Marga Wolff