Kohlen auf der Richter-Waage

Brennstoffhändlern einen Betrug nachzuweisen, gelingt nur selten. Nun stehen zum ersten Mal zwei Kohlenhändler wegen falscher Lieferungen in 132 Fällen vor Gericht

Es ist bekannt, dass die Berufsgruppe der Kohlenhändler nicht selten ein gewisses Potenzial an krimineller Energie in sich trägt. Den Kunden zum vollen Preis weniger Ware zu liefern, ist eine beliebte Geschäftsidee, gleichzeitig eine durchaus lohnende Unternehmung. Denn Brennstoffhändlern einen Betrug nachzuweisen, gelingt nur selten. Oft sind ihre Kohlen-Waagen manipuliert. Und wer hat als Privatperson schon ein geeichtes Messgerät zu Hause, um das korrekte Gewicht einer tonnenschweren Lieferung nachzukontrollieren?

So wirkte es fast wie eine Warnung an die Branche, dass pünktlich zum Start der Heizsaison gestern vor dem Landgericht der Prozess gegen den 51-jährigen Kachelofenbauer Dieter D. und den 59-jährigen Kohlenhändler Rudolf H. begann. Den Geschäftspartnern wird vorgeworfen, in insgesamt 132 Fällen über ihre Kohlen- und Schrotthandlung Fortuna in Kaulsdorf mit gefälschten Quittungen mehr Brennstoff in Rechnung gestellt zu haben als tatsächlich geliefert. Bei den Mengen sollen sie um bis zu 18 Tonnen geschummelt haben. Der Schaden wird auf rund 90.000 Mark geschätzt.

Nachdem der Staatsanwalt gestern die langen Zahlenketten ihrer falschen Transaktionen vorgelesen hatte, gaben die beiden Angeklagten ihre Schuld unumwunden zu. „Wir hatten uns ein Geschäft erhofft, aber das ist voll nach hinten losgegangen“, sagte der rund und gemütlich aussehende Rudolf H. Seiner Aussage zufolge hatte ein Heizer sie auf die Idee gebracht, einfach „mehr aufzuschreiben“. Der schöne Profit sei aber stets in die Firma gesteckt worden. „Alles wurde versteuert“, meinte Dieter D. gestern fast trotzig zur Richterin. Er hätte nicht gedacht, dass die Sache herauskommt.

Freilich ging es in dem gestrigen Verfahren schon um weniger Vergehen als ursprünglich ermittelt. Eine erste Anklage gegen die Fortuna-Betreiber war noch von rund 2.000 Fällen ausgegangen, bei denen ein Schaden von rund einer Million Mark entstanden sein soll. Die Staatsanwaltschaft wollte gestern keine Angaben dazu machen, warum der Prozess nun auf 132 Fälle beschränkt wurde.

Allerdings sind die beiden Angeklagten bereits 1996 wegen illegaler Geschäfte in Nachwendezeiten überführt worden. Die Männer hatten damals Bewährungsstrafen von 12 und 22 Monaten wegen Betrugs beim Verkauf subventionierter Kohle erhalten. Die Brennstoffhandlung Fortuna hatte die ausschließlich für ostdeutsche Privathaushalte zu billigeren Preisen vorgesehene Kohle auch an Firmen geliefert. Rudolf H. und Dieter D. hatten jedoch alle Rechnungen als Privatlieferungen gekennzeichnet und damit zu Unrecht Fördergelder kassiert.

Der aktuelle Prozess gegen die Fortuna-Betreiber wird am Donnerstag fortgesetzt. Nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung heizen noch rund fünf Prozent der Berliner Haushalte mit Kohle. KIRSTEN KÜPPERS