die dicke sabine von FRITZ TIETZ
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Neulich im Back-Shop – ich trank am Stehtisch einen Kaffee – kam eine Kundin rein, um sogleich die ihr offenbar gut bekannte Tresenkraft anzugehen und ihr, wie sie scheppernd ankündigte, „das Neueste von der dicken Sabine“ zu berichten; ich spitzte die Ohren.

„War gerade bei Billy Billig“, begann die Kundin, „die haben da heute so Strandmuscheln im Angebot, du weißt schon, diese Windschutzdinger.“ Die Bäckerin wusste. Sie habe sich gerade erst eine „im Aldi“ geholt; 29 Mark hätte sie dafür bezahlt. „Ha!“, kollerte es da aus der Kundin, „bei Billy Billig gibt’s die für neun Mark 90.“ Ihre Bekannte stieß einen Pfiff aus.

„Das heißt“, setzte aber die Kundin gleich nach, „jetzt nicht mehr. Die dicke Sabine hat alle Muscheln aufgekauft. Ratzfatz. Das ganze Sortiment.“ Die Verkäuferin staunte. „Warum denn das?“, fragte sie exakt die Frage, die ich jetzt auch gestellt hätte. „Ja, warum wohl“, polterte es daraufhin aus der Kundin. „Die verscheuert die für 20 Mark weiter an ihre Bekannten.“ – „Meinst du wirklich?“ Die Bäckersfrau schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich bin doch zu ihr hin“, ratterte es aus der Kundin. „Hör mal, Sabine, hab ich sie gefragt, kannst du mir nicht eine abgeben? Klar, sagt sie, für ’nen Zwanni kannst du eine haben.“ Die Empörung über dieses Angebot spritzte ihr aus dem Gesicht, und als dann die Back-Shop-Kraft auch noch leichthin zu sagen wagte: „Na ja, das ist immerhin weniger, als ich im Aldi bezahlt habe“, schoss ihr dunkel die Zonesröte ins Antlitz. „Ja, sach mal, spinn’ ich denn?“ Die Kundin war jetzt ehrlich aus dem Häuschen. „Mit der Sitzgruppe letztes Jahr, da hat sie’s schon genauso gemacht. Erst superbillig im Kaufparadies geschossen, dann mit ihrem dicken Hintern ein Jahr lang platt gesessen und hinterher fürs Doppelte an ihre beste Freundin verkauft.“ Fassungslos wackelte jetzt die Bäckerin mit dem Kopf, und auch ich war einigermaßen baff über das Gebaren der dicken Sabine.

Die „doch so was“, wie die beiden nun gemeinsam bekakelten, eigentlich gar nicht nötig hätte. Denn immerhin stände sie in sicherer beamteter Stellung, und „der Martin verdient doch auch ganz gut“. Zudem würde sie „dauernd was erben“, und das Haus habe sie auch schon „nachgeschmissen bekommen . . .“ Sie verstummten kurz, weil Kundschaft nun in den Back-Shop drängte.

„Geizig ist die“, meinte die Kundin anschließend, bezichtigte die dicke Sabine zudem der „Cleverness“. Wie sonst gelänge es ihr, immer die Tupper-Party im Januar auszurichten, wenn es, „das weiß die ganz genau“, die fettesten Gastgeber-Prämien gebe. Es kam noch dicker: „Die ist so faul“, spie es aus der Kundin. „Neuerdings passt sie immer den Getränkelaster ab, wenn der den Edekamarkt beliefert und dann ja bei ihr vorbei muss. Dann stoppt die den vor ihrem Haus und lässt sich vom Fahrer die Getränkekisten ins Haus schleppen. So faul ist die!“

Mir reichte es. Ich zahlte und begab mich auf direktem Weg an den Schreibtisch, der Welt zu künden von dieser mir bislang unbekannten, dicke Sabine genannten, einer durchaus bemerkenswerten Frau.