TROTZ WAHLFÄLSCHUNG: EU MUSS WEISSRUSSLAND UNTERSTÜTZEN
: Keine Mauer um Lukaschenko

Weißrusslands Präsident war diesmal nicht mal mehr für eine Überraschung gut. Denn sein Sieg bei der „Wahl“ vom Sonntag stand schon vorher fest. Die Frage war lediglich, wie dreist das Regime die Ergebnisse manipulieren würde.

Doch die berechtigte Kritik einheimischer Menschenrechtsgruppen und ausländischer Organisationen, wie der OSZE, darf eine Tatsache nicht ausblenden: Immer noch stützt ein Großteil der Bevölkerung Alexander Lukaschenko – einen Mann, auf dem bis zum Beweis des Gegenteils sogar der Vorwurf lastet, einige seiner politischen Gegner eliminiert zu haben.

Die weißrussische Opposition muss daher nicht nur gegen die letzte Diktatur Europas kämpfen, sondern auch um die Köpfe und Herzen der Menschen. Deren Erfahrungswelt lässt oft nur zu, demokratische Reformen als die Synonyme für Chaos, Unsicherheit und Instabilität zu sehen.

Angesichts fünf weiterer Jahre unter Lukaschenko muss der Westen seine Strategie überdenken. Denn sie kann ja wohl kaum darin bestehen, wie bisher weißrussische Oppositionelle für teures Geld in Straßburg defilieren zu lassen, von einem Demokratietheorie-Seminar zum nächsten weiterzureichen oder, wie von der OZSE versucht, sich vor Ort an der autoritären Staatsmacht abzuarbeiten. Vielmehr muss die Europäische Union jetzt ihre Türen weit öffnen, im Klartext: bestehende Verträge, wie beispielsweise das ausgesetzte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, wieder in Kraft treten lassen. Dies wäre ein klares Zeichen an all jene, die in Minsk für Veränderungen kämpfen.

Doch ob eine derartige Politik wirklich gewollt wird, ist zweifelhaft. Die Ostgrenze Polens zu Weißrussland wurde für Millionen von Euro hochgerüstet, und Warschau ist in vorauseilendem EU-Gehorsam nur allzu gern bereit, den Anti-Lukaschenko-Schutzwall so undurchlässig wie möglich zu gestalten. So dürften sich einige Hardliner in Brüssel freuen. Denn für ihre Politik der Abschottung ist Alexander Lukaschenko die beste Wahl.

BARBARA OERTEL