Große Vorbehalte beim Welthandel

Der Chef des Internationalen Währungsfonds trifft 18 deutsche Entwicklungsorganisationen, „die bereit sind zuzuhören“. Die Tobin-Steuer lehnt er ab – genauso wie gestern noch einmal Finanzminister Eichel

BERLIN taz ■ Horst Köhler flog von einer Finanzministerkonferenz in Asien nach Washington und jettete dann direkt weiter ins Finanzministerium nach Berlin. Dort wurde der geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) von europäischen NGO-Mitarbeitern zu einem Treffen erwartet. „Das ist gut so, denn wir haben einfach einen Standortnachteil gegenüber den amerikanischen NGOs, die in Washington sitzen“, lobte Barbara Unmüßig vom Entwicklungsverband Weed. Sie sieht in der Köhler-Initiative eine „ernst zu nehmende Dialogbereitschaft“ des Währungsfonds mit den NGOs.

Geladen waren 18 Entwicklungsverbände wie Weed, Oxfam und Misereor, „von denen wir wissen, dass sie kritisch sind, dass sie aber auch bereit sind zuzuhören“, wie Köhler erklärte. Zum gemeinsamen Mittagessen stieß dann auch Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), der Deutschland im Währungsfonds vertritt. Diskutiert wurde über den Schuldenerlass für Entwicklungsländer, über die Fonds-Programme zur Armutsbekämpfung, über den Sinn einer Tobin-Steuer und über die IWF-Reform.

Es gab allerlei Meinungsverschiedenheiten, zum Beispiel bei der Tobin-Steuer, die nach Wunsch der NGOs auf Devisengeschäfte erhoben werden sollte. „Ich habe große Vorbehalte gegen diese Steuer“, sagte Eichel, und Köhler schloss sich dem an. Denn erstens sei es sehr schwierig, zwischen schädlichen spekulativen Kapitalbewegungen und anderen Geldströmen zu unterscheiden. Zweitens zweifle er an der Wirksamkeit. Und drittens halte er die Einführung der Tobin-Steuer für „kaum realisierbar“. Köhler: „Ich warne davor, hier ein neues Patentrezept aus dem Hut zu zaubern.“

Strittig war auch der Stellenwert des freien Handels für Entwicklungsländer. Eichel kritisierte die Agrarpolitik der Europäischen Union: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es vernüftig ist, unsere Märkte für die Entwicklungsländer abzuschotten und dann möglichst hohe Entwicklungshilfe zu zahlen.“

Die NGOs befürchten, dahinter stecke der Gedanke „Handel, aber keine Hilfe“. Reiner Hermle, der Vorsitzende des Dachverbands deutscher Entwicklungsverbände, warnte daher: „Wir akzeptieren, dass die Marktöffnung wichtig ist. Das darf aber nicht heißen, dass die Entwicklungshilfe weiter zurückgefahren wird.“ Köhler lieferte Schützenhilfe: Das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Entwicklungshilfe zu stecken, müsse ernsthafter verfolgt werden.

KATHARINA KOUFEN

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