Fassungslosigkeit. Entsetzen

■ Nach den Anschlägen in den USA: Wahlkampf wurde erst einmal abgesagt. US-Konsulat wurde abgesperrt. Alle sind geschockt – bis auf die Neonazis

Bestürzung, Entsetzen, Trauer, Besorgnis, Schock – Hamburg hält nach den Anschlägen in den USA inne. Alle Wahlkampfveranstaltungen sind zunächst gestoppt, die Sicherheitsvorkehrungen für amerikanische und jüdische Einrichtungen verschärft, alle öffentlichen Gebäude sind trauerbeflaggt. Kurzzeitig wurde unter dem Eindruck der Meldungen aus New York bei den Parteien sogar an eine Verschiebung der Bürgerschaftswahl gedacht. Während die Politiker aller maßgeblichen Parteien ihrer Erschütterung über die Ereignisse Ausdruck verliehen, herrschte in der Innenbehörde gestern erhöhte Alarmbereitschaft. Die Polizei wurde darauf vorbereitet, „umgehend auf neue Gefährdungslagen zu reagieren“. Die blieben allerdings aus. In Hamburg blieb es ruhig.

„Ich stehe fassungslos vor den Tatsachen dieser Bluttaten“, fasste Bürgermeister Ortwin Runde das in Worte, was gestern quer durch alle zur Bürgerschaft antretenden Parteien geäußert wurde. Wie Runde appellierte auch Regenbogen-Spitzenkandidatin Heike Sudmann da-ran, jetzt die Ruhe zu bewahren. Für CDU-Bürgermeisterkandidat Ole von Beust „relativieren solche Bilder die Probleme, mit denen wir uns täglich befassen“.

Hamburgs Oberbranddirektor Dieter Farrenkopf wollte sich ein solches Szenario wie in New York für Hamburg gar nicht erst vorstellen: „Da wäre jede Feuerwehr im Anfangsstadium überfordert.“ Im Ernstfall könnten Feuerwehr und freiwillige HelferInnen knapp 5000 RetterInnen in der Hansestadt mobilisieren, schätzt Hamburgs oberster Brandschützer. Farrenkopf forderte in diesem Zusammenhang einen „flächendeckenden Katastrophenschutz“, gerade dort sei in der Vergangenheit jedoch stark gespart worden.

Auf Anordnung der Innenbehörde wurden Einrichtungen wie das US-Konsulat am Alsterufer gestern weiträumig abgesperrt. Der Flugbetrieb in Fuhlsbüttel lief gestern dagegen weitgehend unbeeinträchtigt. Hamburg hat seit 1999 keine direkte Flugverbindung in die USA. Ob irgendwelche Maschinen von anderen Flughäfen nach Fuhlsbüttel umgeleitet werden, konnte man gestern am frühen Abend noch nicht sagen. Ab heute um 10 Uhr liegen Kondolenzlisten in der Diele des Rathauses aus, in die sich die HamburgerInnen eintragen können.

„Es ist eine Tragödie“, sagte Mustafa Yoldaz für die Schura, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, als Reaktion auf die Anschläge. Die Schura hatte gestern abend eigentlich vor, die Parteien zur Bürgerschaftswahl zu ihren Wahlprüfsteinen zu befragen. Doch was ein langer Abend werden sollte, wurde nach den Nachrichten über die Attentate nur ein kurzer Meinungsaustausch. Yoldaz kommentierte: „Wir verurteilen jedes Unrecht, egal, von wem es kommt und gegen wen es sich richtet.“

Abscheu und Erschütterung überall – nur die Neonazis zeigen klammheimliche bis offene Freude. Der Chef der schleswig-holsteinischen NPD, Jürgen Gerg, ließ mitteilen, jetzt sei „Schluss mit der amerikanischen Selbstherrlichkeit und dem One-World-Imperialismus“. Die US-Bevölkerung lerne nun auch „Leid und Not eines Krieges“ kennen, wie Deutschland „durch den anglo-amerikanischen Luft- und Bombenkrieg“.

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