Lehrer ersatz- und probehalber

■ Mit der „Stadtteilschule“ schummelt Bremen mehr LehrerInnen in die Schulen / Nur verdienen sie weniger und haben befristete Verträge, ob sie bleiben, ist deshalb fraglich

Früher litt und lernte man jahrelang mit demselben Klassenlehrer. Heute gibt es auch Klassenlehrer manchmal nur noch befristet. Ein Jahr – dann könnte schon wieder Schluss sein mit dem gerade geschlossenen Vertrauen zur Lehrkraft. Denn das Land deckt immer mehr Planstellen durch befristete Vertretungungen ab.

„Stadtteilschule e.V.“ nennt sich das Konstrukt, mit dem die Bil-dungsbehörde jetzt verstärkt zusätzliche Vertretungskräfte in den regulären Schuldienst schleust. Allerdings verdienen die einspringenden „Feuerwehr-Lehrer“ dann eine Gehaltsstufe weniger als ihre Kollegen mit gleicher Ausbildung (netto circa 400 Mark), kriegen maximal einen Jahres-Vertrag und unterrichten an bis zu drei Schulen – und das alles in der Hoffnung auf eine spätere Festanstellung.

Jetzt wollen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Personalrat Schulen „richtig Zoff“ machen gegen dieses System, das seit anderthalb Jahren immer weitere Kreise zieht. Zwar hat Bildungssenator Willi Lemke (SPD) dieses Schuljahr 123 neue LehrerInnen einstellen können – dass die aber bei weitem nicht ausreichen, zeige Lemkes Griff in den Verstärkungs-Pool „Stadtteilschule“.

Derzeit werden über die Stadtteilschule 81 Leihlehrer in Bremens Schulen eingesetzt: Als Klassenlehrer, für Abiturprüfungen und Klassenfahrten, den regulären Unterricht – nicht als kurzfristige Vertretung wie eigentlich gedacht, schimpft die GEW. Wenn Willi Lemke also von „Feuerwehrprogramm“ redet, klinge das nach einer Notlüge: Die Billig-Lehrer-Kolonnen des Vereins werden planmäßig für Regeltätigkeiten eingesetzt. Und das spart der Bildungsbehörde schätzungsweise mindestens eine halbe Million Mark im Jahr an Personalausgaben.

Von „Schattenwirtschaft“ spricht Harry Eisenach von der GEW: Wenn Lemke politisch nicht mehr Stellen durchsetzen konnte, dürfe man nicht auf solche „faulen Tricks“ zurückgreifen. Rechtlich fragwürdig findet auch der Personalrat das Ganze. „Wir suchen händeringend nach jemandem, der dagegen klagt“, meint Petra Jendrich, um Druck auf die Behörde zu machen. Denn Lehrer, die arbeiten wie Lehrer, müssten auch entsprechende Verträge kriegen. Nur: Es klagt so schnell keiner gegen den Arbeitgeber, von dem man gerne eingestellt werden möchte.

Fakt ist, dass Lemke für „die flexible Unterrichtsvertretung“ in diesem Jahr per Nachbewilligung vom Senat zwei Millionen Mark lockermachen konnte. 49 Vollzeitstellen (für insgesamt 81 Personen) werden nach Behördenangaben damit finanziert. Zehn mehr als noch vor einem Jahr. Eine Größenordnung, die GEW und Personalrat, die vor anderthalb Jahren noch „über das Konstrukt gestolpert sind“, nicht mehr weiter hinnehmen wollen.

Für die Referendare sei das System „Stadtteilschule“ doch prima, erklärt dagegen die Behörde: Sie kriegen dort die Möglichkeit „sich an den Schulen zu beweisen“ und so vielleicht die ein oder andere schlechte Note im Examen auszugleichen, meint Werner Wilker, Koordinator für die Lehrerversorgung. Außerdem sei BAT III schließlich „kein Hungerlohn“ – in Niedersachsen würde das als Einstiegsgehalt gezahlt. Klar ist aber auch: „Wenn wir denen mehr Gehalt zahlen würden, wären noch mehr Lehrer arbeitslos.“ Und die Lücken im Stundenplan noch größer.

Wie lange die Zeitarbeiter überhaupt an Bremens Schulen bleiben werden, ist fraglich. Niemand könne es Leihlehrern verdenken, wenn sie sich woanders auf eine Stelle bewerben, sagt die GEW.

Dabei provoziert Willi Lemke dieses Schielen sogar auf besondere Weise: Wer ein Angebot für eine feste Stelle in einem anderen Bundesland vorzeigen kann, wird postwendend ins Beamtenverhältnis befördert .

Dorothee Krumpipe