Bitte begeben Sie sich in die Glaszelle

PDS und Flüchtlingsrat kritisieren gefängnisähnliche Bedingungen in Lichtenberger Ausländerbehörde

Eine besondere Architektur erwartet die Besucher der Ausländerbehörde in der Lichtenberger Nöldnerstraße: Sie sitzen in einer Zelle. Von den Angestellten der Behörde trennt sie eine Glasscheibe auf der einen, von den Wartenden im überfüllten Warteraum eine Scheibe auf der anderen Seite. Diese Zellen können von den Sachbearbeitern verriegelt werden, so dass Ausländer gleich am Vorsprachetermin zur Abschiebung festgenommen werden können.

Wie am Fahrkartenschalter müssen die Besucher Dokumente durch einen Schub reichen. Allerdings fehlt ein Lautsprecher, Beamte und Besucher müssen sich anschreien. Diese Behörde wurde im Juni für Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber und geduldete Ausländer eröffnet und ersetzt die bisherigen Standorte Steitstraße und Schleizer Straße.

„Das ist schon von der Innenarchitektur her eine reine Abfertigungsbehörde und kein bürgernahes Amt“, kritisiert Karin Hopfmann (PDS), die sich gemeinsam mit Flüchtlingsrat und taz die Räume ansah. Grund des Besuches waren Beschwerden von Ausländern bei Beratungsstellen. Hier werden täglich zwischen 250 und 350 Menschen abgefertigt.

Gerade Mitarbeitern in Ausländerbehörden weist das Ausländergesetz bei vielen Entscheidungen über Aufenthaltsrechte von Menschen einen großen Ermessensspielraum zu. „Die räumlichen Bedingungen lassen aber keinen persönlichen Kontakt zu. Es ist nur eine Entscheidung nach Aktenlage möglich“, kritisiert Hopfmann. „Dabei geht es hier um Fragen, die für die Betroffenen existenzielle Bedeutung haben.“

Sabine Rotte vom Flüchtlingsrat fordert zudem eine interkulturelle Öffnung der Behörde. So sollten die Hinweisschilder im Eingangsbereich mehrsprachig sein. Weil in den Warteräumen zu wenige Plätze sind, stehen Wartende auf den Gängen und sitzen auf den Fensterbrettern.

„Hier werden die Besucher wie Kriminelle in die Zelle gesperrt“, kritisiert Anwältin Katharina Buerstedde. Wenn sie Akten einsehen will, müsse sie sich eine Wartenummer in der Zelle holen und warten, weil ein Zugang zu den Büros der Mitarbeiter nicht möglich sei.

Die Sprecherin der Innenverwaltung, Svenja Schröder-Lomb, weist die Vorwürfe zurück. Die Glasscheiben seien nötig, weil es in den vergangenen fünf Jahren drei Übergriffe von Besuchern auf Mitarbeiter und zwei Gruppenrandalen gegeben hätte. Dabei wurde Mitarbeitern der Arm umgedreht und Glasgegenstände zerbrochen. „Mit dem neuen Gebäude hat sich die Arbeitsatmosphäre unserer Mitarbeiter deutlich entspannt“, betont die Sprecherin. Die Glasscheiben ließen Gespräche in normaler Lautstärke zu, so Schröder-Lomb. Mehrsprachige Hinweise seien nicht nötig, „weil die Ausländer sich gut verständigen können und es bisher keine Kritik gab“.

Im Gespräch mit der taz konnte sich jedoch nur etwa jeder dritte Besucher auf Deutsch verständigen. Darunter waren viele Schulkinder, die für ihre Eltern die Dolmetscher spielten.

MARINA MAI