Anschläge in USA schockieren Berlin

Die Attentate in New York und Washington erschüttern Bürger und Politiker. Senat zu Sondersitzung zusammengetroffen. US-Botschaft abgeriegelt, viele öffentliche Veranstaltungen kurzfristig abgesagt. Auch das Jüdische Museum blieb geschlossen

Nach den Terroranschlägen in den USA sind die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt gestern drastisch verschärft worden. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) rief Polizei und Feuerwehr zu einer Sondersitzung zusammen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus: „Die Bilder aus den USA haben alle Bürgerinnen und Bürger Berlins tief erschüttert.“ Der Präsident der Abgeordnetenhauses, Reinhard Führer, sagte: „Die Fanatiker, die hinter den Anschlägen stehen, haben bisher Unvorstellbares getan.“

Krisensitzung im Senat

In der Senatsverwaltung für Inneres wurde unmittelbar nach dem Anschlag eine Sondersitzung der Führungskräfte der Polizei, der Feuerwehr sowie der Staatssekretäre einberufen. Die Unterredung, an der rund ein Dutzend Experten teilnahm, dauerte bis zum späten Nachmittag an. Auch die Abteilung für Verfassungsschutz kam zu einer dringenden Sitzung zusammen. Der Senat ließ sich am Abend von Innensenator Körting über den Stand der Sicherheitsmaßnahmen unterrichten. Die Wahlkampfveranstaltungen der Parteien fielen aus, auch alle Theatervorstellungen wurden abgesagt.

Botschaft abgesperrt

Die amerikanische Botschaft in Mitte war gegen 17 Uhr weiträumig abgeriegelt. Räumpanzer der Polizei fuhren auf. Nur US-amerikanische Staatsbürger, die sich über das Schicksal von Angehörigen in New York informieren wollten, wurden durchgelassen. Unter den Linden wurden am Abend rund zweihundert Menschen zu einer Lichterkette erwartet. Zu der Solidaritätsaktion mit den Opfern der Terroranschläge hatte die „Mahnwache Brandenburger Tor“ aufgerufen. Passanten legten spontan Rosen in der Umgebung nieder.

Bei jüdischen und israelischen Einrichtungen wurden die Sicherheitsvorkehrungen ebenfalls drastisch verstärkt. Ein Beamter vor der Jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße sagte, „unsere verstärkten Maßnahmen laufen auf vollen Touren“. Die Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Wilmersdorf wurden evakuiert. Sowohl vor der israelischen Vertretung als auch vor der US-Botschaft war Filmen und Fotografieren verboten. Auch die gestern Abend geplante Eröffnung des Jüdischen Museums für das Publikum konnte nicht stattfinden.

Die Fahnen auf dem Reichstag wehen auf Halbmast. Die Haushaltsdebatte des Bundestages wurde abgebrochen, die für heute angesetzte abgesagt. Vor dem Bundeskanzleramt wurden Gitter aufgestellt. Auch im Abgeordnetenhaus wurden sämtliche Sitzungen ausgesetzt.

Keine USA-Flüge

Auf den Berliner Flughäfen führten die Anschläge zu „erhöhter Wachsamkeit“. Dies sei in Abstimmung mit den Luftaufsichtsbehörden in Berlin und Brandenburg sowie dem Bundesgrenzschutz (BGS) geschehen, sagte ein Flughafensprecher. Vermehrte Kontrollen gebe es in allen Terminals. Bei Fahrzeugen auf dem Gelände der Flughäfen gebe es Stichprobenkontrollen. Der Flugverkehr laufe allerdings normal weiter.

Ausgenommen davon war der einzige Berliner Direktflug in die USA. Der gestern morgen mit 102 Passagieren gestartete Flug nach Washington sei über dem Atlantik nach Toronto umgeleitet worden, teilte ein Lufthansa-Sprecher mit. Nicht absehbar sei, wann die Flüge in die USA wieder normal abgewickelt werden könnten. Auf dem Flughafen Schönefeld wurde eine geplante Großveranstaltung gestrichen.

Die bayerische Landesvertretung sagte den für gestern Abend geplanten Auftakt zum Oktoberfest in Berlin ab. Die tragische Entwicklung vertrage sich nicht mit dem Feiern, sagte Staatsminister Reinhold Bocklet. Zu dem Fest auf dem Gendarmenmarkt waren rund 2.000 Gäste erwartet worden.

Katastrophenpläne

Für die Berliner „Wolkenkratzer“ gibt es in einem Katastrophenfall wie in den USA spezielle Einsatzpläne der Feuerwehr. Wie ein Sprecher gestern sagte, informieren sie unter anderem über Anfahrtswege, den Standort von Rauchmeldern, besonders gefährdete Räume und das Umfeld des jeweiligen Gebäudes. Derartige Einsatzpläne lägen für jedes einzelne Bauwerk parat. Als Beispiele nannte der Feuerwehr-Sprecher den Fernsehturm, Hotelhochhäuser oder Bürogebäude am Potsdamer Platz. So solle gesichert werden, dass die Einsatzkräfte ohne große Zeitverzögerung zum Unglücksort gelangen. Über die Rettungsmöglichkeiten der in einem brennenden Hochhaus eingeschlossenen Menschen äußerte sich der Feuerwehr-Sprecher zurückhaltend. Grundsätzlich gelte, dass Personen in unmittelbar betroffenen Gebäudebereichen durch starke Rauchentwicklung und extreme Hitze „massive Probleme“ bekommen. Wem nicht in den „allerersten Minuten“ die Flucht über Treppen, Feuerleitern oder auf Sicherheitsplattformen gelinge, der habe kaum Chancen zu überleben. ROT/SAND/GES/ROLA