Deutschland, Naturschutzmuffel

Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik verurteilt, weil sie Flora-Fauna-Habitat-Gebiete wie Moore oder Auwälder zu spät angemeldet hat. Zwangsgelder werden noch nicht fällig, Kommission prüft erneut die Fortschritte im Naturschutz

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

Deutschland ist beim Naturschutz zu zögerlich. Dies hat gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg festgestellt. Die Bundesrepublik wurde gerügt, weil sie sich bei der Meldung von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH) um Jahre verspätete.

Die von der EU 1992 beschlossene FFH-Richtlinie beschreibt den Weg zu einem europäischen Netz geschützter Naturflächen, das den Namen „Natura 2000“ tragen soll. Dabei sollen etwa Auwälder und Moore, aber auch bedrohte Tier- und Pflanzenarten geschützt werden. Vorgesehen ist dabei ein dreistufiges Verfahren: Zuerst melden die EU-Mitgliedsstaaten die 2000 in Frage kommenden Gebiete nach Brüssel, dann wird auf EU-Ebene das Natura-2000-Netzwerk bestimmt. Abschließend werden, wieder auf nationaler Ebene, die entsprechenden Schutzgebiete ausgewiesen.

Eigentlich hätte die Sammelphase schon im Juni 1995 abgeschlossen sein müssen, doch die in Deutschland zuständigen Bundesländer verschleppten das Verfahren. Sie befürchten, dass industrielle, landwirtschaftliche und Infrastrukturprojekte beeinträchtigt werden, wenn viele bisherige Landschaftsschutzgebiete zu Natura-2000-Flächen aufgewertet werden. Jetzt hat der EuGH – wenig überraschend – Deutschland (aber auch Frankreich und Irland) wegen dieser Verzögerungstaktik verurteilt.

Das Urteil bezieht sich allerdings auf den Stand des Jahres 1998, weil damals die von der EU-Kommission gesetzte Frist endete. Seither hat sich die Meldequote der Bundesländer immerhin drastisch erhöht. Waren nach einer Aufstellung des Naturschutzbundes (Nabu) im Jahr 1999 erst 1,6 Prozent des Bundesgebiets als FFH-Flächen angemeldet, sind es jetzt bereits sechs Prozent. Auch haben inzwischen alle Bundesländer Anmeldungen eingereicht. Der Nabu ist aber immer noch nicht zufrieden. Seiner Ansicht nach sind sogar 15 Prozent des Bundesgebiets als FFH-Flächen geeignet. Jetzt muss die EU-Kommission entscheiden, ob sie sich mit dem Erreichten zufrieden gibt oder ein neues Verfahren anstrengt. Würde Deutschland in dieser Sache erneut verurteilt, könnten tägliche Zwangsgelder in Millionenhöhe verhängt werden.

Die zuletzt gezeigte Aktivität der Bundesländer wurde allerdings weniger durch das Gerichtsverfahren ausgelöst, weil das Zwangsgeld erst mal der Bund bezahlen müsste. Wirksam war vielmehr die Drohung der Kommission, den Ländern Mittel aus den EU-Strukturfonds zu kürzen oder diese zurückzuhalten. (Az.: C-71/99)