Friedensrelikte von der Bühne gefegt

■ „Caesar“: Ein Kriegs-Bilderreigen, inszeniert auf Kampnagel von Branko Brezovec

Auf der Bühne tobt eineinhalb Stunden lang der Wahnsinn, mitunter so schnell, dass man mit dem Lesen der deutschen Untertitel kaum hinterherkommt. In schrillen Kostümen fegen die Darsteller vom Balkan beim Kampnagel-Sommerfestival „Laokoon“ alles von der Bühne, was an Frieden erinnert. Wir sehen ein Theaterstück, aufgeführt an einem schicksalhaften Tag, dem 11. September 2001, von Theatermachern, die alle schreckliche Erfahrungen mit dem Krieg gemacht haben. Sie übersetzen sie in Bilder über die Kriegslust in einem verschlafenen Dorf.

Caesar nennen die drei Theatergruppen, das mazedonische Youth Cultural Centre, die kroatische Tvornica und das slowenische Global Theatre ihren Bilderreigen rund um Schrecken und Ursachen des Krieges. Zugrundegelegt hat der kroatische Regisseur Branko Brezovec den Shakespearschen Text Julius Caesar, aber auch Bertolt Brechts Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar. Dabei stehen die drei Teile des Stückes unverbunden nebeneinander, die Gruppe mengt so viele multikulturelle Ebenen hinein, dass schwer auseinanderzuhalten ist, was nun Text, was überliefertes Ritual ist.

Die angeödeten Bürger der ereignislosen Stadt Goga hoffen auf ein aufrüttelndes Ereignis. Irr und neurotisch streifen die Schauspieler dazu über die Bühne. Die ist die meiste Zeit in tiefes Rot getaucht, ihre Schwenkplatten werden von den Darstellern ständig umgebaut. Es sind Zerrissene, die die meiste Zeit eine absurde Zwiesprache halten. Mittendrin trifft Hana ihren Geliebten Prelih wieder und verletzt ihn, als er tätlich wird. Die von pervertierter Kriegslust getriebene Dorfschar riecht den ersehnten Konflikt, als sie enttäuscht realisiert, dass Prelih nur verletzt ist.

Im zweiten Teil werden die Kos-tüme ernsthafter, die Darstellerschar hüllt sich in dunkle Anzüge, jetzt geht es ums Business. Genauer, um Benzin und gemeinsame Interessen mafiös verquickter Unternehmen. Die Mächtigen von heute sitzen woanders als in den Regierungsämtern. Die „Caesar Ltd.“ wird gegründet und soll durch eine Hochzeit besiegelt werden, doch die Brautleute sind noch anderweitig liiert. Mord und Chaos regiert die Szenerie. Im dritten Teil, Julius Caesar, tritt endlich der römische Kaiser auf, Opfer der Verschwörung durch Brutus, Cassius und Casca, auch sie werden als schräge Vögel präsentiert. Bleibt der Eindruck einer wilden Performance, die wie ein Spuk vorüberzieht und leider durch zuviel Wirrnisse den Blick auf das Gerüst verstellt.

Annette Stiekele