Allein im Gefängnis der Taliban

Während fast alle Ausländer Afghanistan verlassen, sitzen die angeklagten Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Shelter Now“ weiter in Kabul fest. Die westlichen Diplomaten wollen nun von Pakistan aus weiter mit den Taliban verhandeln

BERLIN taz ■ Die Bemühungen um eine Freilassung der inhaftierten Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Shelter Now“ in Afghanistan sind bisher erfolglos geblieben. Während die meisten Ausländer aus Furcht vor möglichen US-Angriffen das Land verlassen, sitzen die wegen angeblicher christlicher Missionstätigkeit Angeklagten weiter in Kabul fest: vier Deutsche, zwei Australier und zwei Amerikanerinnen.

Nach den Terroranschlägen in den USA hatten westliche Diplomaten versucht, die Taliban zu überreden, die Inhaftierten „als Zeichen des guten Willens“ freizulassen – „leider erfolglos“, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) der taz sagte. Gestern sei auch der deutsche Konsul nach Pakistan ausgereist. „Nach unseren Informationen sind inzwischen alle Deutschen ausgereist oder befinden sich auf dem Weg“, sagte der AA-Sprecher. Er betonte aber: „Das heißt nicht, dass die Gespräche mit den Taliban damit abgebrochen sind.“ Die Verhandlungen sollen nun mit Vertretern der Taliban in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad fortgesetzt werden.

Ob sich die Situation für die Inhaftierten nach den Anschlägen in den USA verschlechtert habe, wollte der AA-Sprecher nicht kommentieren. Nach den letzten Informationen würden die Gefangenen aber „weiterhin korrekt behandelt“.

Die Hoffnungen stützen sich nun auf einen Anwalt, der die Angeklagten bei ihrem Prozess in Kabul vertreten soll. Dabei handele es sich um einen Islamgelehrten aus der Region, der von den Taliban akzeptiert worden sein soll und in Kontakt zu den deutschen Diplomaten steht. „Wir hoffen, dass er noch heute in Kabul eintrifft“, sagte der AA-Sprecher gestern. „Wir wollen auf diese Weise sicherstellen, dass die Inhaftierten dort nicht alleine sind.“ Ob der Prozess wie geplant am Samstag fortgesetzt wird, war gestern noch unklar. LUKAS WALLRAFF