Der Bundestag muss zustimmen

Auch im Bündnisfall gilt das Karlsruher Urteil von 1994: Bundeswehreinsätzen müsste das Parlament zustimmen

FREIBURG taz ■ Bevor sich die Bundeswehr im Rahmen der Nato an US-Vergeltungsmaßnahmen beteiligen kann, muss grundsätzlich der Deutsche Bundestag mit einfacher Mehrheit zustimmen. Dies geht aus dem 1994 erfolgten Urteil des Bundesverfassungsgerichts über Bundeswehreinsätze im Ausland hervor.

Eine ausdrückliche Regelung findet sich im Grundgesetz hierfür nicht. Doch Karlsruhe hat in seinem Urteil vor sieben Jahren erklärt, dass militärische Einsätze der Bundeswehr stets eine vorherige Zustimmung des deutschen Parlaments benötigen. Ausdrücklich wird erklärt, dass dies auch im „Bündnisfall“ gelte: „Auch in diesem Fall bedarf es der – regelmäßig vorhergehenden – parlamentarischen Entscheidung über den konkreten Einsatz“, heißt es in dem Urteil.

Als „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“ gelten dabei nicht nur direkte Kampfeinsätze der Bundeswehr. In der Entscheidung von 1994 wurde auch die Entsendung von Awacs-Aufklärungsflugzeugen für den Himmel über Bosnien sowie eines logistischen Verbandes nach Somalia als „Streitkräfte-Einsatz“ gewertet. Ob aber auch bereits die Bereitstellung deutscher Flughäfen und Infrastruktur eine Zustimmungspflicht des Bundestags auslöst, ist noch ungeklärt. Der Verfassungsrechtler und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) hält auch „bloße Unterstützungshandlungen“ für zustimmungspflichtig.

Keine Zustimmung des Bundestags ist für die Feststellung des Nato-Bündnisfalles erforderlich. Im Nato-Rat kann die Regierung auch ohne ausdrückliche parlamentarische Rückendeckung agieren. Der Bündnisfall, der bisher ja mehr angedroht als beschlossen wurde, gilt als Voraussetzung für die Anwendung einer ganzen Reihe von deutschen Notstandsgesetzen. Diese „Sicherstellungsgesetze“ erlauben staatliche Eingriffe in das Wirtschafts- und Arbeitsleben. Allerdings kann der Bundestag laut Grundgesetz (Artikel 80a Absatz 3) die Anwendung dieser Gesetze mit einfacher Mehrheit wieder stoppen.

CHRISTIAN RATH