„Mich hat niemand geschlagen“

■ Aber die Atmosphäre auch in der Hansestadt hat sich nach dem Terroranschlag in den USA verändert, finden viele Hamburger Muslime

Der türkische Gemüseladen in Altona ist voll wie immer. In die langen Schlange an der Kasse haben sich viele deutsche Kunden eingereiht. „Es ist nicht anders als sonst“, sagt der 32-jährige muslimische Händler. Seine muslimischen Kollegen in anderen Hamburger Stadtteilen spüren an diesem Freitagmorgen, drei Tage nach den Terroranschlägen in den USA, ebenfalls keine Veränderung. „Die Anschläge sind natürlich auch hier im Laden Gesprächsthema, aber durch Diskriminierung bedroht fühle ich mich nicht“, sagt ein türkischer Lebensmittelhändler am Steindamm, unweit des Hauptbahnhofs im Herzen der Stadt.

Anders als in den USA hat es in Hamburg nach Angaben der Polizei bisher keine Ausschreitungen gegen Muslime oder ihre Geschäfte gegeben, obwohl drei der mutmaßlichen Haupt-Attentäter jahrelang in der Hansestadt gelebt und studiert haben. „Aber die Atmosphäre hat sich verändert. Ich habe das Gefühl, als würden die Leute vor mir zurückweichen“, sagt ein 48-jähriger Palästinenser, der seit kurzer Zeit einen deutschen Pass hat.

Auch in den muslimischen Gemeinden Hamburgs wächst die Angst vor Diskriminierung und Übergriffen. „Viele unserer Gemeindemitglieder betrachten die Lage mit großer Sorge und fürchten zunehmende Anfeindungen verbaler und tätlicher Art“, sagt die geistliche Leiterin der deutschsprachigen muslimischen Gemeinde der Hansestadt, Halima Krausen. Krausen ist bundesweit die einzige deutschstämmige Muslimin, die Aufgaben eines Imam wahrnimmt.

„Die Ethik des Islam erlaubt keinen Terrorismus. Aber in Hamburg leben rund 200.000 Muslime, und da sind sicher auch Chaoten dabei“, meint Krausen. Die 51-jährige unerschrockene Theologin, die seit fünf Jahren im Amt ist, nimmt kein Blatt vor den Mund, auch wenn es um die eigenen Glaubensgenossen geht.

„Die Stimmung hat sich verändert, finde ich“, erzählt Azra. „Wenn ich in einen Bus einsteige, spüre ich die skeptischen, teilweise feindseligen Blicke der Menschen“, sagt die junge Frau mit dem Kopftuch.

Dass die Kluft zwischen Menschen verschiedener Religionen und Nationalitäten nicht größer wird, hofft auch Aydan Özoguz. Die 34-jährige Leiterin deutsch-türkischer Projekte der Körber-Stiftung für ein besseres Miteinander kandidiert auf Platz fünf der SPD-Liste zur Bürgerschaftswahl am 23. September. „Mich hat niemand geschlagen, aber die Stimmung ist anders“, meint auch Özoguz, die einen deutschen und einen türkischen Pass hat und praktizierende Muslimin ist. Da gebe es eine Reihe provozierender Fragen und verbaler Attacken.

„Wir dürfen uns nicht verleiten lassen, alte Feindbilder zu befestigen. Wir machen uns Sorgen, dass Angehörige islamischen Glaubens pauschal verurteilt werden“, meint der Islam-Beauftragte der Nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche, Pastor Hans-Christoph Gossmann, der sich seit Jahren in interreligiösen Gesprächsrunden um Verständigung bemüht.

Dazu will auch das Bündnis islamischer Gemeinden in Norddeutschland beitragen, das zu einem gemeinsamen christlich-islamischen Gottesdienst am Sonntag um 11 Uhr in der Moschee Böckmannstraße in St. Georg aufruft.

Brita Janssen /

Maja Abu Saman