„Nichts, wo man deeskalieren kann“

■ Der frühere Leiter der Führungsakademie der Bundeswehr und heutige Hamburger FDP-Chef Rudolf Lange schließt Pläne zur Besetzung Afghanistans nicht aus

Rudolf Lange kennt das Pentagon, er kennt den Sicherheitsrat der Bundesregierung, er kennt die inneren Strukturen der Nato – der ehemalige Leiter der Führungsakademie der Bundeswehr und Spitzenkandidat der Hamburger FDP ist einer von denen, die im Moment viel gefragte Leute sind: Die Sichtweise von Militärs ist mittlerweile wieder eine mit Gewicht.

Was planen die USA? Wie ticken Militärs? Stehen Nato-Luftangriffe bevor? Schlittert Deutschland durch die Erklärung des Bündnisfalls in einen Krieg? Droht gar eine Besetzung Afghanistans? Lange schließt bei der letzten Frage nicht aus, „dass im Pentagon auch darüber nachgedacht wird“. Eine direkte deutsche Beteiligung an einem Militärschlag, wie immer der aussehen könnte, kann er sich aber nicht vorstellen.

Lange gehörte dem Bundes-Sicherheitsrat an, als vor zehn Jahren die Amerikaner und ihre Verbündeten den Golfkrieg gegen den Irak führten, er war im Planungsstab des Bundeskanzleramtes, das Pentagon war über ein Jahr lang sein täglicher Arbeitsplatz, sein Schreibtisch stand genau in dem Trakt, der jetzt in Schutt und Asche liegt. Lange war bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr einer der höchstrangigen Militärs in Deutschland – einer, der sich eine Einschätzung der Situation zutraut und sagt: „In diesem Fall sehe ich nichts, wo man deeskalieren kann.“

Ob die Nato unter dem Druck der Amerikaner demnächst irgendwo bombardiert, nur um zu zeigen: Wir tun was – darüber möchte er keine Vorhersage wagen: „Das ist das Problem der politisch Verantwortlichen.“ Lange glaubt aber nicht, dass die Amerikaner „an einem größeren Militärschlag interessiert“ sind: „Jetzt haben sie die Sympathien fast der ganzen Welt. In dem Augenblick, in dem sie handeln, verlieren sie automatisch eine Menge an Sympathie.“

Kommt es zum Luftangriff, eventuell gar zum Versuch, Afghanistan zu besetzen – dann ist Deutschland mit im Boot, das ist dem 59-Jährigen im Dienstrang eines Konteradmirals klar: „Wenn es zu einem Krieg käme, wären wir mit dabei. Das ist in einer Gemeinschaft nun mal so.“ Wobei die „Bandbreite im Bündnisfall von moralischer Unterstützung bis hin zum Einsatz von Kampftruppen reicht“. Deutschland als Kriegspartei – für Lange vorstellbar, wenn auch nicht als aktiv kriegführendes Land. Der deutsche Beitrag? „Wir werden den Amerikanern sicher anbieten, dass wir im Bereich der sanitätsdienstlichen Versorgung etwas tun können, also in Amerika selbst mitzuhelfen.“ Deutsche Truppen in Kabul oder anderswo? Lange schließt das nach seiner Kenntnis und Erfahrung aus.

Dass die USA – „eine Nation, die dermaßen emotional reagiert“ – in irgendeiner Form militärisch antworten werden, das steht für ihn weitgehend außer Zweifel – bei aller Gefahr, dass das die Gewalt noch weiter nach oben schaukelt: „Die Amerikaner sind traumatisiert, ein solcher Angriff auf dem eigenen Territorium – das ist für sie schlimmer als Pearl Harbour.“

Dabei könne man auch aus militärischer Sicht „Geschehnisse wie diese in den USA überhaupt nicht verhindern“. Man habe unter seiner Führung an der Bundeswehr-Führungsakademie in Blankenese zwar Kriegs- und Konfliktplanspiele inszeniert, „aber ein solches Szenario haben wir auch nicht entwickelt“.

Peter Ahrens /

Günter Beling