Zu viel Bekanntes, zu wenig Freiheit

■ Neue Arbeiten Detlev Kappelers, zu sehen in Oldenburg, erinnern allzuoft an vergangene Kunst. In den malerischen wie zeichnerischen Arbeiten dominieren Anklänge ans Figürliche. Es nimmt der Natur und der Freiheit den Raum

Nein, wirklich neu ist es nicht, wirklich eigen kaum, was Detlef Kappeler auf die Leinwand bringt – aber von wem kann man das heute schon noch sagen?

„Transparenzen“ heißt eine aktuelle Ausstellung mit den Arbeiten des gebürtigen Stettiners, der sich seit den siebziger Jahren ins Butjadinger Land zurückgezogen hat – ermüdet vom steten sich Abarbeiten am Politischen in der Kunst. Vom Sujet zurückzufinden zum Eigentlichen in der Malerei – zu ihr selbst – dieser Prozess scheint die Inhalte von einst transzendiert zu haben. Im Erdgeschoss des Oldenburger Stadtmuseums klafft eine Wunde in dem Hochformat „Stettin Gedanken“. Diese Mischtechnik auf Leinwand zeigt auf rot-braunem Pigmentgrund eruptive Farbstrukturen, von denen aus sich eine tiefe Narbe in die Erde, in den Torf, so scheint es, gräbt. Tatsächlich hat Kappeler die Leinwand aufgetrennt, grobe Texturen eines Kartoffelsacks werden sichtbar, dunkle Pigmente mit Stroh vermischt sind der faserige Erdleib, der verwundet scheint.

Dieses Ready-Made, mit dem Natur und deren Versehrtheit thematisiert wird, ist seit entsprechenden Arbeiten Anselm Kiefers benutzt und bekannt. Schade, dass Kappeler das – auch in anderen Exponaten – so durchgehend bemüht, statt sich auf die reine Malerei zu verlassen. Denn die ist vor allem in den dunklen Großformaten des Hüppe-Saales im ersten Stock sehr eigenwertig, transparente Bereiche mit fein aufgetragenem Pigment kriechen unter dick verarbeiteten Ölschichten hervor, Pastoses und Durchsichtiges geben sich die Hand. In der Dunkelheit dieser erkalteten Gesteinsmassen schillern sehr fein mineralische Farben, Schwefelgelb tönt an, Kobaltblau und sein großer Bruder aus Preußen wetteifern um Aufmerksamkeit.

Überflüssig, dass in diesen Arbeiten dann große Weißkörper alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, den Blick verblenden für die zartere Zwiesprache der farbigen Kleinteiligkeiten. Allein in „Flassaders“, einer Materialmontage aus 2000, behält die Farbe im Bildrelief ihre Eigenwertigkeit, das Weiß funktioniert hier zurückgenommen als heißester Punkt einer magmaähnlichen Masse. In einer anderen Mischtechnik mag es zwar auch hingehen und als Allegorie noch funktionieren, wenn der Tod seinen weißen Schatten tanzen lässt: Ein Gerippe schwingt die Knochen über dem aufgerissenen Moor und seiner strunkigen Innenwelt. Aber auch dieses Gemahnen an Goya ist überflüssig, denn die Natur im Bild könnte besser für sich sprechen: eine Art, Kunst zu begreifen und Natur in ihr zu thematisieren, die von der Oldenburger Künstlerin Etta Unland etwa bereits weitaus überzeugender artikuliert wurde.

Im angrenzenden Horst Janssen Museum werden graphische Arbeiten Detlef Kappelers gezeigt. Sie greifen die Landschaft Butjadingens auf, die Weite, das Wasser, agrarische, eingreifende Kultur. Die großformatigen Kohlearbeiten entfalten in ihrer Abfolge von Verdichtungen und Lockerheiten, Horizontalen und Vertikalen, Staffelungen, Rundheiten und Weißflächen einen Duktus, der sehr tänzerisch daherkommt. In dieser Freiheit erweist sich das zeichnerische und gestalterische Können Detlef Kappelers. Nur wiederum schade, dass da dann doch unbedingt immer wieder eine Linie zum Auge werden muss, eine Rundung sich zum Schädel formt und den Blick dann doch wieder festnageln will auf Bekanntes, statt in der Offenheit Freiheit zu gewinnen. Denn sei es auch im Fragment, so wirkt die so geliebte Figürlichkeit entwertend auf die übrigen Bereiche der Blätter.

Befreiung ist halt auch in der Malerei ein langer, und disziplinierender Weg – aber abseits des Allegorischen die vielleicht wirklich politische Tat der Kunst, denn sie entfesselt sodann den Blick, das Gefühl, die Körper r.

M. Gerwin