Es werden neue Zeichen gesetzt

Senat zum neuen Biosiegel: „Berlin könnte Deutschlands größter Absatzmarkt für Bioprodukte werden“

Vergangene Woche hat Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) in Berlin „als wichtiges Signal der Agrarwende“ das Biosiegel vorgestellt, das verbindliche Standards nach der EG-Öko-Verordnung für die Produktion von Ökolebensmitteln festlegt. Das grün umrandete Sechseck mit der Aufschrift „Bio nach EG-Öko-Verordnung“ soll etwa garantieren, dass Tiere artgerecht gehalten und Boden, Wasser und Luft bei der Lebensmittelproduktion geschützt werden. Gentechnisch veränderte Zusätze sind verboten.

„Wir wollen“, sagt die Ministerin, „ein herausragendes Angebot an die Verbraucher und Verbraucherinnen schaffen, die Biolebensmittel schnell und eindeutig von anderen Lebensmitteln unterscheiden wollen.“ Bislang gebe es alleine auf dem deutschen Markt rund 100 Biozeichen. Verwirrt umherschwirrenden Verbrauchern musste also geholfen werden, um Transparenz und Orientierung zu schaffen. Bis Ende 2000 wirtschafteten bundesweit nur 3 Prozent aller Betrieb nach ökologischen Kriterien. Auf rund zwanzig Prozent, so die Pläne der Bundesregierung, soll der Anteil des ökologischen Landbaus bis zum Jahr 2010 steigen. Damit mit dem neuen Biosiegel kein Schindluder getrieben werden kann, sieht die Verordnung bei missbräuchlicher Verwendung Geldbußen bis zu 30.000 Euro vor. Doch auch unter wirtschaftlichen Aspekten erhofft sich das Verbraucherministerium vom neuen Prüfzeichen einigen Gewinn: „Deutsche Bauern haben jetzt die Chance, ihre Ökowaren für ganz Europa zu produzieren“, so Künast.

„Wir sehen keine Konflikte zu bestehenden Zeichen“, meint Thomas Dosch, Vorstand von Bioland. Vielmehr sei die Einführung eines einheitlichen Siegels eine „große Unterstützung“, weil endlich nicht alleine die „Ökos und Bios“ sondern die „breite Masse“ erreicht werde. Raus aus der Nische, rein ins Bolle-Regal. Um diesem hehren Ziel näher zu kommen, wurden allerdings die strengeren deutschen Maßstäbe runtergefahren. 80 Prozent der Lebensmittel, die in Deutschland als Ökoprodukte gekennzeichnet seien, kritisiert etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), würden schärferen Kriterien genügen, als das neue Siegel.

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeigt sich auch der Berliner Wirtschaftssenat erfreut: „Berlin ist aufnahmebereit für regionale Erzeugnisse und könnte Deutschlands größter Absatzmarkt für Bioprodukte werden“, frohlockt Staatssekretärin Erika Romberg. In diesem Bereich könnten Arbeitsplätze entstehen, „was ebenfalls zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes führen würde“.

Beim Berliner Lebensmittelhandel stößt das neue Prüfzeichen offensichtlich auf große Überraschung: „Wir sehen uns im Moment noch nicht in der Lage, eine Stellungnahme dazu abzugeben“, heißt es unisono. Erst mal müsse man sich mit dem neuen Siegel und den Richtlinien vertraut machen. Da ist es gut zu wissen, dass ab Oktober eine Informationstour beginnt, die in 16 Städten für das Siegel werben soll. Für 2002 ist eine breit angelegte Informationskampagne geplant. Wer nicht mehr so lange warten will, um sich über das Prüfsiegel zu informieren, kann erste Informationen unter www.bio- siegel.de im Internet abrufen. VOLKER ENGELS