Britischer Schulterschluss mit USA

Im Unterhaus verspricht Premierminister Blair: „Wir stehen an der Seite unseres Freundes Amerika.“ Britische Muslime fürchten Übergriffe

von RALF SOTSCHECK

Der britische Premierminister Tony Blair hat gestern in Anbetracht der Anschläge in den USA das Unterhaus zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Das war zuletzt vor drei Jahren geschehen, nachdem eine Absplitterung der IRA eine Bombe im nordirischen Omagh gezündet und damit 30 Menschen umgebracht hatte.

Blair eröffnete die Sitzung mit dem Versprechen, dass Großbritannien an der Seite „unseres Freundes Amerika“ stehe. Er warnte: „Wir wissen, dass diese Terroristen chemische, biologische oder gar atomare Waffen einsetzen würden, wenn sie könnten. Diejenigen, die ihnen helfen oder ihnen Schutz gewähren, haben die Wahl: Entweder sie hören auf damit, unsere Feinde zu schützen, oder sie werden selbst als Feinde behandelt.“

Kritik an Blair gab es in der Unterhausdebatte keine. Lediglich der linke Labour-Hinterbänkler Chris Mullin sprach sich dagegen aus, den USA einen Blankoscheck für mögliche Racheakte auszustellen. In der Vergangenheit haben britische Labour-Premierminister allerdings durchaus mäßigend auf die USA eingewirkt. Vor 50 Jahren reiste Clemence Attlee nach Washington und beschwor Harry Truman erfolgreich, keine Atombomben im Koreakrieg einzusetzen. 20 Jahre später hielt Harold Wilson sein Land trotz Lyndon B. Johnsons Drängen aus dem Vietnamkrieg heraus.

Blair hingegen beschwor das „besondere britisch-amerikanische Verhältnis“ und versicherte Bush seine bedingungslose Unterstützung. „Es ist wichtig, dass die Amerikaner wissen, ihre Verbündeten und Freunde in der ganzen Welt stehen Schulter an Schulter mit ihnen“, sagte er gestern.

In Blairs Umfeld gibt es jedoch auch gemäßigte Stimmen. Viele seiner Berater und selbst Tories vom rechten Parteiflügel meinen, man müsse mit militärischen Vergeltungsschlägen vorsichtig sein. Einer von Blairs Beratern sagte, es liege im nationalen Interesse Großbritanniens, mit „Schurkenstaaten wie Iran, Libyen und Nordkorea“ in Kontakt zu bleiben.

Blair sagte, die Terroristen hätten keinen Sinn für Menschlichkeit, Gnade oder Gerechtigkeit. Was, wenn nicht Letzteres, so fragte gestern die Tageszeitung Guardian, habe die Anschläge denn ausgelöst? „Die Welt des Islam hat seit Generation ein Gefühl tiefer Ungerechtigkeit, was die Rolle der USA im Nahen Osten und in der Welt angeht. Warum sonst hätten verschiedene Araber den Anschlag am Dienstag gefeiert?“

Für die in Großbritannien lebenden Muslime sind derweil harte Zeiten angebrochen. Drei islamische Schulen in Nord-London mussten am Mittwoch schließen, weil die Kinder und das Lehrpersonal beschimpft und bedroht worden warden. Der Rat der britischen Muslime gab den Medien die Hauptschuld: „Unglücklicherweise wird das Wort Muslim so benutzt, dass die gesamte muslimische Gemeinschaft verantwortlich gemacht wird“, sagte Yousuf Bhailok, der Generalsekretär des Rats.

Er warf den Medien vor, dass sie fast ausschließlich Muslime mit extremen Ansichten zu Wort kommen lassen, jedoch nicht berichten, dass verschiedene islamische Organisationen die Anschläge in den USA heftig verurteilt haben. Tony Robson von der antifaschistischen Organisation Searchlight sagte, dass britische Faschisten die Situation ausnutzen und eine Islam-Phobie schüren wollen.

Blair versuchte vorgestern, dem entgegenzuwirken. „Das ist Terrorismus gegen die Welt“, sagte er über die Anschläge, „und das schließt den muslimischen Glauben ein.“ Bhailok ist dennoch pessimistisch: „Wir erwarten, dass es Racheakte gegen uns geben wird.“