Neues aus dem Land der Zwerge

Der SV Babelsberg macht sich klein und verliert gegen Erstliga-Absteiger Unterhaching 1:4. Der Trainer ist froh, dass es nicht zweistellig ausging

Mit Glück kommt man eine Minute vor Schluss hinter die Taktik des Einlullens

aus Potsdam HOLGER STRÖBEL

Also, so was von nett. Das kleine, schnuckelige Stadion am Ende der kleinen, schnuckeligen Straße, gesäumt von kleinen, schnuckeligen Häusern. Der Etat klein und der Verein eine große Familie, alle haben sich hier gern, und auf den Schals steht „Die Babelszwerge“. Niedlich, nicht? Bloß, dass man am Ende dumm guckt als gestandener Profi aus Bielefeld oder Duisburg und ohne Punkte dasteht. Wenn man Glück hat, kommt man als meisterschaftsambitionierter Hauptstadtklub im Pokal eine Minute vor Schluss hinter die perfide Taktik des netten Einlullens und erspart sich die Blamage so gerade noch. Man kann also durchaus sagen, dass der SV Babelsberg in seiner ersten Zweitliga-Saison bisher ganz gut gefahren ist mit seinem Zwergenimage. Drei gewonnene Partien, ein Remis, eine Niederlage und das knappe Aus im DFB-Pokal gegen Hertha BSC sprechen jedenfalls dafür.

Und nun das Problem: Gegen Mannschaften wie Unterhaching, wie am Samstag bewiesen, nutzt diese Taktik herzlich wenig – denn die sind selber Zwerge, noch dazu im Schatten der, wie man inzwischen weiß, schönsten Stadt Deutschlands. Klar, die Spielvereinigung hat letztes Jahr noch in der ersten Liga gekickt – aber eigentlich war sie dort in den Jahren ihrer Zugehörigkeit auch nichts anderes als der ständige Vertreter der soliden Zweitklassigkeit: handwerklich in Ordnung, weitgehend frei von Spielwitz und damit hinreichend erfolgreich.

Folgerichtig ist man nun in den Schoß der DSF-Liga zurückgekehrt und hat nach alter Väter Sitte zwei Tage vor dem Spiel gegen Babelsberg gleich mal Trainer Lorenz-Günther Köstner vor die Tür gesetzt. Nicht nett, zumal im Hintergrund auch Hauptsponsor Erich Lejeune („Köstner ist ein Null-Punkte-Trainer“) das Seine dazu beigetragen haben soll, dass nun plötzlich Rainer Adrion als Betreuer der Unterhachinger an der Seitenlinie stand. „Eine hektische Woche“, so der Neu-Coach, habe man da erlebt in Münchens Süden und folgerichtig vielleicht gar keine Zeit gehabt, sich auf die Babelsberger Zwergentaktik einzulassen.

Oder hatten die bayerischen Kicker schlicht nicht verstanden, dass das geschenkte 0:1 (Torwächter Alexander Kunze überlies durch präzise Anfertigung eines Luftloches den Ball Djoni Novak zum lässigen Einschieben) sowie wenig später die rote Karte für den Babelsberger Slawomir Chalaskiewicz noch Teil dieses Plans waren?

Also, Altin Rraklli schon. Der albanische Nationalspieler hielt das Spiel zumindest noch eine Weile offen, indem er nicht nur drei Minuten nach der Hachinger Führung einen Strafstoß neben das Tor setzte, sondern auch sonst alle sich bietenden Möglichkeiten ausschlug. Nur seine zehn Teamkollegen, die begriffen die Zwergentaktik nicht: Die spielten ihren Stiefel runter, wie man das in Überzahl und mit einer 1:0-Führung im Rücken eben am besten tut – routiniert, abwartend, Ball und Babelsberger laufen lassend. Ergo fiel das zweite Tor für Unterhaching eine Minute vor dem Seitenwechsel und das dritte zehn Minuten vor Ende der Partie, gerade als Heimtrainer Hermann Andreev vielleicht so etwas wie eine Schlussoffensive im Sinn gehabt haben mochte.

Dazwischen sah und hörte man: die erwähnten Schussübungen des Altin Rraklli, den vergeblichen Versuch der Babelsberger Angreifer durch die von den Routiniers Seifert, Straube und Strehmel zugestellte Spielfeldmitte eine Verkürzung des Rückstandes herbeizuführen. Sowie die trotzige Intonierung des stadionerprobten Hits „You’ll never walk alone“ von Gerry and the Pacemakers durch die Babelsberger Fangemeinde als Reaktion auf die lustige Polonäse der gut zwei Dutzend Unterhachinger Fans durch den ansonsten leeren Gästeblock.

Diese verpassten durch die Aufführung des einst durch Gottlieb Wendehals populär gewordenen Tanzes allerdings das dritte Tor ihrer Mannschaft, das – da lediglich Konsequenz eines Querschlägers des Babelsberger Verteidigers Jens Härtel ins eigene Tor – sowieso nicht besonders sehenswert war. Beim anschließenden 1:3 (Elfmetertreffer von Amedin Civa) und dem nicht mehr für möglich gehaltenen Tor von Altin Rraklli zum 1:4-Endstand waren sie dann aber wieder bei der Sache und wollten folgerichtig „den Trainer seeeehn“. Der war aber erst noch eine Weile damit beschäftigt, seinerseits zur Zwergentaktik zu greifen und im Auswärtserfolg nicht mehr als „eine Basis zur Konsolidierung“ zu sehen – schließlich sei der Sieg „viel zu hoch“ ausgefallen und vor allem durch die rote Karte für Chalaskiewicz begünstigt gewesen.

Sein Kollege Herman Andreev zeigte sich dagegen froh, „dass es nicht zweistellig ausgegangen ist“, machte ein fröhliches Gesicht und war sich sicher: „In Bochum wird’s nächste Woche noch schwerer“. Zwergenlatein eben.