Solidarität – mit allen Mitteln?

Fast einhellige Zustimmung der deutschen Parteien zu militärischer Hilfe für die USA. Große Nachdenklichkeit herrscht über die Art der Umsetzung

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

In der deutschen Politik rücken die Reihen ungewohnt fest zusammen. Beim vergleichsweise ungefährlichen Beschluss des Bundestags über den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien herrschte in der rot-grünen Bundesregierung Einigkeit – aber es bedurfte wochenlanger Überzeugungsarbeit, eine Mehrheit aus Oppositions- und Koalitionsabgeordneten hinter dem Beschluss zu versammeln. Bei der jetzt anstehenden Entscheidung über eine deutsche Beteiligung an US-Vergeltungsschlägen steht die Mehrheit im Parlament bereits – aber die Bundesregierung weiß nicht, ob sie auf sie tatsächlich zurückgreifen will.

Für die beiden größten Fraktionen von Regierung und Opposition erklärten am Wochenende der SPD-Außenpolitiker Hans Ulrich Klose und der CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, ihre Leute stünden hinter einer militärischen Unterstützung der USA. Auch bei den Grünen ist Widerstand im Moment nicht auszumachen (siehe Seite 8). Im Gegensatz dazu bemühen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping in Interviews am Wochenende vehement, eine Festlegung auf das „Ob“ und „Wie“ eines deutschen Militäreinsatzes zu vermeiden. Schröder breitete in der ARD seine Fragen vor der Fernsehnation aus, statt wie früher oft nassforsch Antworten zu liefern: „Was ist die angemessene Form der Solidarität –die ich ausdrücklich ,unbeschränkt‘ genannt habe – mit den Vereinigten Staaten von Amerika, was ist die Handlungskonsequenz dessen, denn wir werden es nicht bei Erklärungen belassen können – und wie kriegen wir das überein mit unseren objektiven Möglichkeiten?“ Dies lässt einen Rückschluss zu auf die große Linie der Planungen im Kanzleramt: Rot-Grün will den Amerikanern die Stange halten, ist sich aber alles andere als sicher, welche Mittel dazu geeignet sind.

Die „objektiven“ Beschränkungen, von denen Schröder ausgeht, sind dabei nicht nur materiell und militärisch zu verstehen, sondern erstrecken sich auch auf „weiche“ Hindernisse. Dazu könnte etwa ein wachsender Widerstand der öffentlichen Meinung gehören, wenn erst einmal die USA ihren Auftaktschlag ausgeführt haben, der voraussichtlich noch ohne Beteiligung der Nato-Partner erfolgen wird.

Mit einem bisher ehernen Prinzip hat Schröder am Wochenende gebrochen: Der Sparkurs von Hans Eichel ist nicht länger sakrosankt. „Alles, was man nach Prüfung, ob man es braucht, wirklich sinnvollerweise anfordert, wird der Finanzminister zu bedienen haben“, sagte Schröder. Das Recht zum unbegrenzten Griff in die Staatskasse gilt dem Kanzler zufolge vor allem für Innenminister Schily zum Zweck von Sicherheitsmaßnahmen. Auch Scharping kann sich freuen: „Es kann sein – und die Bundeswehr ist ja mitten in einem Reformprozess –, dass das auch was kostet, das ist doch gar keine Frage“, erklärte der Kanzler.

Der Verteidigungsminister wiederum scheint unvermutet sein jahrelanges Interesse an mehr Geld für die Armee verloren zu haben: „ Es wäre billig und wenig anständig, solche dramatischen Stunden zu nutzen – um nicht zu sagen: zu missbrauchen –, um aus einem langfristig überlegten, in der Sache begründeten Konzept auszusteigen.“ Scharping entdeckt am Vorabend möglicher Bundeswehreinsätze die Tugend des Ausgleichs mit der Dritten Welt: Wer mehr Sicherheit wolle, müsse „stärker in Nord-Süd-Kategorien denken und handeln“. Ähnlich unerwartet bekennt Schröder: „Ich brauche Beratung – und vielleicht manchmal auch Ermunterung.“