Pakistan als Aufmarschgebiet?

Die USA bedanken sich bei Pakistan für die umfassende Unterstützung, doch die Regierung in Islamabad will nicht sagen, worin diese genau besteht

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Die USA befinden sich nach eigenen Angaben im Krieg, wobei US-Präsident George W. Bush am Samstag deutlich machte, dass sich dieser in Südasien abspielen werde. Bush bezeichnete erstmals Ussama Bin Laden als „Hauptverdächtigen“ und sagte, dass die USA die Verantwortlichen der Angriffe vom 11. September aus ihren Verstecken „ausräuchern und verfolgen werden“. Dies macht Afghanistan zum wahrscheinlichen Kriegsschauplatz und seinen Nachbarn Pakistan zum potenziellen Aufmarschgebiet. Denn ein „Ausräuchern“ lässt sich nicht ohne Bodentruppen bewerkstelligen, wofür die USA, neben der Benutzung des Luftraums, auf den Gebrauch von Militärbasen angewiesen wären. Pakistan hat an der Westgrenze zu Afghanistan – weit weg vom verfeindeten indischen Nachbarn im Osten – eine Reihe von Luftwaffenbasen.

Am Samstag bewilligten Pakistans Sicherheitsrat und Kabinett offenbar ein entsprechendes Ersuchen der USA. Vor der Presse in Islamabad erklärte Außenminister Abdus Sattar aber nur, Pakistan gewähre den USA in ihrem Kampf gegen den Terrorismus „eine umfassende Zusammenarbeit“. Er weigerte sich, dies näher aufzulisten. Er sagte nur, Pakistan „erwarte nicht, an einer Militäroperation außerhalb seiner Grenzen teilzunehmen“. Es werde sich aber an Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats halten.

Bei einer Pressekonferenz im Beisein von Präsident Bush hatte US-Außenminister Colin Powell zuvor Pakistan für dessen Willen gedankt, „uns in allem zu unterstützen, was notwendig sein könnte“. Gestern wurde bekannt, dass Islamabad heute eine Militärdelegation nach Kabul entsenden will, um, laut Präsidentensprecher Qureishi, die Taliban „zur Vernunft zu bringen“ und „eine Katastrophe zu vermeiden“.

Die Weigerung des pakistanischen Außenministers, Details einer Zusammenarbeit mit den USA zu enthüllen, zeigen Pakistans delikate Lage. Es unterhielt bisher enge Beziehungen mit den Taliban. Für viele Pakistaner ist Ussama Bin Laden ein Held.

Die Taliban haben Pakistan, ohne es beim Namen zu nennen, mit scharfen Worten davor gewarnt, mit den USA zusammenzuarbeiten. Bereits am Freitag drohte Taliban-Führer Mullah Omar, dies würde einen „Heiligen Krieg“ auslösen. Sein Botschafter in Islamabad schloss nicht aus, dass „die Mudschaheddin die Grenzen eines Landes überschreiten würden“, das der Forderung nach Militärbasen stattgebe. Auch der Führer der „Jamaat Islami“, Qazi Hussain Ahmed, forderte nach einem Treffen von 30 islamistischen Parteien in Lahore die USA und Pakistan auf, von einem Krieg abzusehen und „von der sowjetischen Niederlage zu lernen“. Gegenüber der Nachrichtenagentur AIP erklärte Ussama Bin Laden erneut, „es nicht getan“ zu haben, da Taliban-Chef Mullah Omar ihm „derartige Aktivitäten verboten“ habe.

Derweil mutmaßen pakistanische Zeitungen, dass die kurzfristige Schließung des Flughafens von Islamabad in der Nacht zu Samstag dazu gedient habe, einen Voraustrupp von US-Marines unbemerkt landen zu lassen. The Nation berichtet, dass die Spezialeinheit der „Green Seals“ seit 1998 mit pakistanischen Truppen in der Nordwest-Provinz Trainings durchführe.

Leitartikel warnen vor einem militärischen Bündnis mit den USA gegen Bin Laden, solange nicht konkrete Beweise gegen ihn vorlägen. „Die Öffentlichkeit wird nicht tolerieren, dass wir gegen eine Person vorgehen, die nun einmal ein Volksheld ist“, heißt es in The Nation. „Dies würde“, schließt sich The News an, „eine massive Welle des Anti-Amerikanismus auslösen, und all die durchtrainierten Jehadi-Elemente würden ihre Waffen nach innen richten und das Land in einen Bürgerkrieg stürzen. Der Horror, der dadurch ausgelöst würde, wäre nicht weniger schlimm als das Chaos, das die Selbstmordattentäter in New York angerichtet haben.“

Beim Beschluss über die Nutzung von Stützpunkten dürfte Islamabad auch nach Indien schielen. Dessen Außenminister Jaswant Singh bot den USA „operationelle Zusammenarbeit“ an. Dies könnte – vor allem auf der Basis eines UN-Sicherheitsratsbeschlusses – Militärstützpunkte einschließen. Indische Zeitungen spekulieren derweil, dass die USA mit Tadschikistan und Usbekistan weitere Optionen hätten. Dies hieße eine Zusammenarbeit mit Russland sowie mit den Taliban-Gegnern der Nordallianz.