„Dann hätten die ja gewonnen“

TU-Studierende gegen schärfere Kontrollen. TU soll international bleiben  ■ Von Kaija Kutter

Gespenstische Ruhe auf dem Campus der Technischen Universität Harburg: Der erste Sturm ist vorüber, am Freitag, als bekannt wurde, dass zwei der US-Attentäter in Harburg studierten, „waren hier mehr Kameras als Fahrräder“, berichtet TU-Sprecherin Ingrid Holst. Dem Medieninteresse folgten wütende E-mails: „Ihr bildet Terroristen aus.“

Allen liegen die Nerven blank. Außer Wissenschaftssenatorin Kris-ta Sager, die bei einem Besuch am Freitag die Wichtigkeit der Internationalisierung der Hochschule betonte, hat sich noch keine PolitikerIn an der sonstigen Vorzeige-Universität blicken lassen. Nur die DVU stellte noch mehr „Ausländer raus“-Plakate auf und überflog den Stadtteil – in dem es jetzt schon zu wenig Wohnraum für ausländische Studierende gibt – mit ihrem Banner.

Über 20 Prozent ausländische Studierende hat die TU, und es sollten 30 werden. Als erste deutsche Uni überhaupt führten die Harburger schon 1994 Master- und Bachelor-Studiengänge ein, die eine Internationalisierung erst richtig möglich machen. Holst: „Bei uns kann jeder studieren, der sich bewirbt. Das soll auch so bleiben.“

Könnte eine Regelanfrage beim Verfassungschutz für Studierende bestimmter Fächer mehr Sicherheit bringen? „Nein“, sagen gleich mehrere AStA-Vertreter einhellig, „dann hätten die, die gegen die Freiheit kämpfen, ja gesiegt“. Es studierten so viele Leute technische Fächer: „Die wirklich fanatisch sind, die kriegt man dabei nicht raus.“ Außerdem hatte Mohamed Atta – jener Student, der 8 Jahre an der TU war – Stadtplanung belegt, dass „am wenigsten technische Fach“.

Auf einer Vollversammlung am Abend wollen die Studierenden beraten, wie man verhindern kann, dass die Vorfälle zu „Misstrauen und Vorurteilen führen“, wie AStA-Referent Eike Schirow sagt. Berechtigt wäre dies nicht: „Ich urteile nach Verhalten und nicht nach der Hautfarbe eines Menschen.“

Einige der AStA-Veteranen hatten mit Atta selbst gesprochen, als dieser vor zwei Jahren eine „Islam AG“ anmeldete, die auch den bereits bestehenden Gebetsraum in einem Pavillon nutzte. „Ich hatte erst Bedenken, aber im Gepräch hat Atta mich überzeugt“, sagt ein Kommilitone. „Er sagte, er wolle informieren über den Islam, weil viele Angst hätten aus Unsicherheit“. „Die, die ihn kannten, haben ihn sehr positiv in Erinnerung“, sagt der ehemalige AStA-Referent Jan Hendrik-Theilen, „er hat uns den Islam als friedliche Religion vorgestellt“.

Die AG trat kaum in Erscheinung und steht ein Jahr nach Attas Exmatrikulation nur deshalb noch im Vorlesungsverzeichnis, weil vor Druck versäumt wurde, die Existenz der AG zu überprüfen. „Der Raum hatte dünne Pappwände, jeder kam da rein“, sagt AStA-Sprecher René Günther. Und Co-Sprecher Hendrich Quitmann: „Ich wüsste nicht, dass da einmal zwei Leute gleichzeitig reingegangen sind. Das war bestimmt nicht die entscheidende Zelle.“

Mit der Bedeutung der AG schrumpft auch die Verwicklung der jungen Asta-Funktionäre in diesen internationalen Albtraum. Manche hoffen, dass jener Kommilitone kein „Sleeper“ war und erst in der Zeit nach der TU ab Mai 2000 die Anschläge geplant hat.

Von der TU organisierten psychologischen Beistand gibt es noch nicht. Die AStA-Leute bekommen zurzeit kaum Schlaf. Sie sind so viel Presse nicht gewohnt und wünschen sich mehr Solidarität aus Politik und Wissenschaft. Nur der Asta der FH-Krefeld, so berichet Quitmann, habe eine Soli-E-Mail geschickt: „Die haben dort auch einen Gebetsraum und finden das richtig so.“