Der beste Schutz bleibt Toleranz“

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will den umfassenden Objektschutz aufrechterhalten, schon weil ein Militärschlag der USA emotionalisiere. Auf Dauer sei Unterstützung des Bundes notwendig. Trennung zwischen Polizei und Militär müsse bleiben

Interview: PLUTONIA PLARRE
und ANDREAS SPANNBAUER

taz: Herr Körting, hat das FBI schon Verbindung zu den Berliner Sicherheitsbehörden aufgenommen?

Ehrhart Körting: Die Berliner Sicherheitsbehörden haben Verbindung zu allen befreundeten Sicherheitsbehörden. Dazu gehören auch die amerikanischen.

Sind die Konsultationen verstärkt worden?

Sie sind mit Sicherheit stärker gewesen als vorher. Sozusagen anlassbezogen.

Welche Verbindungen hatten die Attentäter von New York und Washington nach Berlin?

Nach unserer Erkenntnis keine.

Gibt es Hinweise darauf, dass sich Anhänger von Ussama Bin Laden in Berlin aufhalten?

Es gab Hinweise, die einen Mitarbeiter Bin Ladens betrafen. Das ist aber keine aktuelle Spur.

Die Innenverwaltung hat sich in den letzten Tagen mit Informationen ziemlich bedeckt gehalten.

Ich bin immer bereit, Auskunft zu geben. Nach einer Analyse des Verfassungschutzes gibt es derzeit weder in der Bundesrepublik noch in Berlin Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten. Daher waren wir in erster Linie damit beschäftigt, mögliche Nachahmertaten einzelner Leute zu verhindern. Dies hat dazu geführt, dass wir den Objektschutz erheblich verstärkt haben.

Wie lange soll der enorme Sicherheitsaufwand aufrechterhalten werden?

Das wird noch eine geraume Zeit notwendig sein, insbesondere wenn die USA auch militärisch auf die Terroraktionen reagieren werden. Eine solche militärische Reaktion der USA wird zu einer Emotionalisierung von Teilen der Berliner Bevölkerung führen. Deshalb werden wir den Objekt- und Raumschutz bis auf weiteres aufrechterhalten. Das ist eine ungeheure Anstrengung auch für die Berliner Polizei.

Wie lange kann diese Anstrengung dauern?

Wir können den momentanen Sicherheitstandard mit Unterstützung anderer für eine gewisse Zeit aufrechterhalten. Wenn die angespannte Situation aber monatelang oder ein halbes Jahr dauert, wird man verstärkt auf Bundesunterstützung zurückgreifen oder den Etat aufstocken müssen.

Die Gewerkschaft der Polizei spricht von einem sicherheitspolitischen Offenbarungseid und fordert 1.265 neue Stellen.

Ich glaube, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für gewerkschaftspolitische Forderungen. Ich habe schon vor diesem schrecklichen Ereignis gesagt, dass meines Erachtens die Berliner Polizei nicht ausgedünnt werden sollte. Dabei bleibe ich. Sicher wird es Veränderungen im Sicherheitskonzept für Großstädte geben, das heißt aber nicht automatisch mehr Personal.

Bundesinnenminister Otto Schily will eine veränderte Aufgabenteilung zwischen Polizei, Verfassungsschutz und Militär.

Ich halte nichts von Schnellschüssen. Man sollte die Zuständigkeiten jetzt nicht in Frage stellen. Wir leben seit 50 Jahren mit einem Sicherheitskonzept, das einigermaßen funktioniert hat. Wir sollten jetzt nicht alle positiven Erfahrungen über den Haufen werfen. Der Verfassungsschutz ist keine Polizeiorganisation, sondern eine politische Warninstanz. Diese Trennung sollte daher so bleiben.

Müssen die Kompetenzen des Verfassungsschutzes ausgeweitet werden?

Die Arbeit des Verfassungsschutzes wird sicherlich neu zu diskutieren sein. Ich bezweifle aber, dass man eine kleine Gruppe von Entschlossenen, die nicht mit der Außenwelt kommuniziert, überhaupt ausfindig machen kann. Ich warne auch vor einer Gesellschaft, in der die Telefone von allen abgehört werden. Das kann nicht das Ziel der freiheitlichen Grundordnung sein.

Innere Sicherheit wird im Wahlkampf nun eine große Rolle spielen. Muss die SPD ihren Kurs ändern?

Als Partei sind wir dafür da, dass der Bürger sich sicher fühlt. Die SPD muss sich da nicht verstecken. Die CDU wäre nicht gut beraten, wenn sie versuchen würde, hiermit Wahlkampf zu betreiben. Für die letzten zehn Jahre der Sicherheitspolitik Berlins tragen CDU-Senatoren die Verantwortung.

Muss die SPD ihre Haltung zum Zuwanderungsgesetz überdenken?

Bei dem Zuwanderungsgesetz geht es um die Frage, ob wir beispielsweise die Zuwanderung für Computerexperten erleichtern. Diese Debatte wird es nach wie vor geben. Es wäre doch verheerend, wenn wir uns nach den Ereignissen in Amerika hier in Deutschland abschotten. Wir müssen ein weltoffenes Land bleiben. Da kann man über Modifikationen reden, aber nicht über den Grundsatz.

Welche Gefährdung geht von islamistischen Gruppierungen in Berlin tatsächlich aus?

Wir leben in Berlin mit sehr vielen islamischen Menschen gut zusammen. Der beste Schutz vor dem, was in den USA passiert ist, ist und bleibt die Toleranz. In Berlin gibt es nicht den Hauch eines Hinweises, dass es in der Stadt extremistische Gruppen mit Selbstmordattentätern geben könnte. Das schließt nicht aus, dass es eine Gruppe gibt, die nicht auffällt. Wir haben Sympathisanten der Hisbullah und der Hamas und ein paar Sympathisanten der Mudschaheddin. Sie werden von uns so eingeschätzt, dass sie in Ausnahmesituationen, etwa bei Demonstrationen, durchaus gewalttätig werden könnten. Bislang nutzten sie Berlin als einen Ort für Propaganda. Wenn sie sich strafbar machen, reagieren wir entsprechend. Bei diesen Gruppen sehe ich aber kein Reservoir an Attentätern.

Der Verfassungsschutz wirft aber insbesondere der Hamas Schutzgelderpressung und Waffenschmuggel vor.

Keine Antwort.

Wie reagieren denn deutsche Extremisten auf das amerikanische Attentat?

Von den Linksextremisten hören wir bislang gar nichts. Bei den Rechtsextremisten gibt es zum einen eine unverhohlene Freude über den Anschlag, etwa bei der NPD. Zum anderen nehmen die Rechtsextremisten dies zum Anlass, Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Kurz vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat sich die NPD also nochmals deutlich demaskiert.

Befürchten Sie verstärkt ausländerfeindliche Anschläge?

Keine Antwort.