Manchmal fehlt die Ordnung

Hertha BSC Berlin gewinnt gegen den TSV 1860 München sein erstes Heimspiel der Saison mit 2:1 und wähnt sich nach Wochen voll harscher Kritik auf dem Weg der spielerischen Besserung

aus Berlin FRANK KETTERER

Der erste Kamerazoom gehörte ganz allein dem Trainer. Der Ball zappelte noch wie Frischfisch im Netz, da hatten die Männer vom Stadion-TV Jürgen Röber auch schon ins Bild gesetzt. Und so war auf der großen Anzeigetafel en detail zu sehen, wie der Berliner Übungsleiter den spielentscheidenden Treffer für seine Mannschaft miterlebte. Wie er die Backen aufblies, als die Flanke von Sebastian Deisler hereingesegelt kam in den Strafraum, und wie er all die angestaute Luft wieder entweichen ließ, als Michael Preetz seinen Schädel an den Ball brachte und das Spielgerät per Kopf in die Maschen wuchtete nach 79 Minuten zum 2:1-Sieg der Berliner Hertha über den TSV 1860 aus München.

Weiter tat Röber nichts. Gar nichts. Und dennoch war die Erleichterung, die den Fußballlehrer in diesem Moment überfiel, gegenwärtig, spürbar bis in den letzten Winkel des Olympiastadions – und somit auch auf jenen Rängen, von denen es zuvor noch Pfiffe gegen den 47-Jährigen geregnet hatte – und vereinzelt sogar „Röber raus!“-Rufe.

Auch nach dem Spiel blieb Röber ganz seiner unaufgeregten Linie treu. „Ich bin froh, dass wir drei Punkte geholt haben. Auch für die Mannschaft war das wichtig“, sagte er; und wenn man es nicht besser wüsste, man hätte dem Gedanken verfallen können, der Sieg gegen die Löwen sei ein ganz normaler für Röber, einer von vielen eben. Er war es mitnichten, sondern der erste erst im bereits dritten Heimspiel der Saison – und schon deshalb von äußerster Wichtigkeit, beileibe nicht nur für die Mannschaft. Noch am Mittwoch vor dem Spiel hatte Manager Dieter Hoeneß vor Aufsichtsrat und Beteiligungsgesellschaft einen Rechenschaftsbericht zur sportlichen Lage abgeben müssen; sonderlich leicht dürfte ihm dieser nach nur fünf Punkten in fünf Spielen kaum gefallen sein, weil Manager und, vor allem, Trainer nur allzu flott in die Kritik rutschen, wenn sie so manche Mark in eine Mannschaft pumpen und diese einfach nicht gewinnt.

„Was zählt, sind die drei Punkte“, hat Röber deshalb nach dem ersten Heimsieg wiederholt, verbunden mit der Feststellung, „dass wir nicht schlecht Fußball gespielt haben“; über die gesamten 90 Minuten allemal besser zumindest als die Gäste aus München. Die waren zwar just zur Pause und schon deswegen äußerst glücklich durch einen von Häßler eingeleiteten und Agostino vollstreckten Konter mit 1:0 in Führung gegangen, mehr von Ball und Spiel hatten aber bereits bis zu diesem Zeitpunkt die Herthaner. „Wir haben schon in der ersten Halbzeit Druck gemacht“, fasste Röber das zusammen, dass sie damit auch nach Pause und Rückstand fortfuhren wertete der Trainer als ganz besonderes Zeichen intakter Moral. „Da hat sich keiner versteckt, sondern jeder den Ball gefordert“, analysierte Röber, was nach 59 Minuten prompt belohnt wurde, wenn auch durch ein Eigentor des Münchner Tapalovic. Immerhin die Flanke zu diesem hatte ein Herthaner geschlagen, Sebastian Deisler nämlich, der genau 20 Minuten später auch den Ball auf Preetz zirkelte und somit erneut maßgeblich für den Berliner Erfolg war.

Deisler gut, alles gut also? Ganz so einfach sind die Dinge nun auch wieder nicht, schon weil Deislers Wirken bisweilen noch nicht gänzlich mit dem von Neuzugang Marcelinho koordiniert scheint. Manchmal, noch zu selten, ergeben sich aus dem Zusammenspiel der beiden Hochbegabten Spielzüge, die die Zunge schnalzen lassen; manchmal aber, noch zu oft, scheinen sie sich gegenseitig zu hemmen und selbst der Effektivität zu berauben, was nach so kurzer Zeit des Zusammenwirkens nicht viel anders sein kann. „Manchmal“, sagt auch Jürgen Röber, „fehlt da noch die Ordnung.“

Hertha BSC: Kiraly - van Burik (26. Simunic), Maas, Sverrisson - Rehmer, Maas, Goor (46. Neuendorf) - Deisler, Marcelinho - Alves, Preetz TSV 1860 München: Jentzsch - Hoffmann, Zelic, Pfuderer - Wiesinger (46. Tapalovic), Borimirow, Riseth, Häßler (65. Dheedene), Weissenberger - Schroth (22. Max), AgostinoZuschauer: 22.000; Tore: 0:1 Agostino (45.), 1:1 Tapalovic (59./Eigentor), 2:1 Preetz (79.); Gelb-Rote Karte: Dheedene (81.); Rote Karten: Alves (88.) und Riseth (88.) wegen Tätlichkeit