Canberra siegt doch vor Gericht

Die australische Regierung gewinnt das Berufungsverfahren im Streit um die verweigerte Aufnahme der vom Frachter „Tampa“ geretteten Flüchtlinge. Auf der kargen Pazifikinsel Nauru erwartet sie jetzt ein Zeltlager. Viele wollen dort nicht an Land gehen

aus Melbourne BORIS B. BEHRSING

Die Hoffnung der 433 überwiegend afghanischen Flüchtlinge an Bord des australischen Truppentransporters „Manoora“, doch noch den Fuß auf das australische Festland setzen zu dürfen, hat sich gestern zerschlagen. In Melbourne gab ein Berufungsgericht dem Antrag der Regierung statt. Es entschied im Unterschied zur Vorinstanz vor einer Woche, dass die Regierung bei der Verfrachtung der Flüchtlinge auf den Truppentransporter diese nicht ihrer Freiheit beraubt habe. Damit müssen die Flüchtlinge nicht wie zunächst entschieden nach Australien gebracht werden.

Die Flüchtlinge waren am 26. August vom norwegischen Frachter „Tampa“ auf hoher See von einem sinkenden indonesischen Schiff gerettet und in die Gewässer um die australische Weihnachtsinsel gebracht wurden. Australien verweigerte den Flüchtlingen aber die Möglichkeit, dort an Land zu gehen und damit auf dem Festland einen Asylantrag stellen zu dürfen. Stattdessen wurden sie auf den Truppentransporter verfrachtet, der sie zu dem winzigen Pazifikstaat Nauru brachte. Dort kam das Schiff gestern an. Heute sollen die ersten Flüchtlinge von Bord gehen.

Bei der jetzigen Gerichtsentscheidung waren sich die drei Richter nicht einig. Hauptrichter Michael Black stimmte gegen seine zwei Kollegen. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Die Bürgerrechtsbewegung in Melbourne, die die ursprüngliche Klage gegen die Regierung erhoben hatte, wird jetzt keinen weiteren Einspruch gegen das Urteil einlegen. Ihr sind die Mittel für die Fortführung des Prozesses ausgegangen.

Das Einwanderungsministerium reagierte gestern erfreut: „Wir begrüßen die Gerichtsentscheidung und hoffen, dass sie ein Stoppsignal für die Menschenschmuggler ist, die gesagt hatten, dass die vorherige Entscheidung ihnen grünes Licht gebe“, sagte ein Sprecher von Minister Philip Ruddock.

In Nauru gibt es jetzt Probleme mit der Unterbringung. In die vorgesehenen Unterkünfte eines modernen Athletendorfes werden die Flüchtlinge nicht einziehen können – die Landbesitzer hatten die Mietforderungen zu hoch geschraubt. Pioniere der australischen Armee haben deshalb in den letzten Tagen in der Mitte des ungastlichen Atolls ein Zeltlager errichtet. Dort sollen die Flüchtlinge provisorisch untergebracht werden – bei Temperaturen bis zu 40 Grad im Schatten.

Berichten zufolge weigern sich 330 Flüchtlinge, in Nauru an Land zu gehen. Das bekümmert vor allem Mark Gatchel von der Internationalen Organisation für Migration, der für das Wohl der Flüchtlinge verantwortlich ist. „Sie hören einem gar nicht zu, alles, was sie wissen wollen, ist, wie sie nach Australien kommen“, erklärte er gestern. Vor allem die Flüchtlinge aus dem Irak weigerten sich, nach Nauru gebracht zu werden. Einige möchten inzwischen lieber wieder in die Heimat zurückkehren.

Doch die „Manoora“ hat nicht nur die 433 „Tampa“-Flüchtlinge an Bord, sondern weitere 237 Asylsuchende von einem von der australischen Marine vor den australischen Ashmore Riff aufgebrachten Flüchtlingsschiff. In den letzten Tagen ist ein weiteres Schiff mit etwa 70 Flüchtlingen aus Sri Lanka auf der australischen Kokosinsel gelandet. Sie liegt auf halber Strecke zwischen Sri Lanka und Australien im Indischen Ozean. Es wird erwartet, dass diese Asylsuchenden ebenfalls nach Nauru gebracht werden. Nun will die Regierung auch die Kokosinsel wie die Weihnachtsinsel und das Ashmore Riff aus dem Staatsterritorium herauszunehmen, für das das Einwanderungsgesetz gilt. Damit soll den Flüchtlingen die Möglichkeit genommen werden, von diesen abgelegenen australischen Inseln Asyl in Australien beantragen zu können.

Neuerdings begründet die Regierung ihre hartes Vorgehen mit einer „potenziellen Gefahr für die Staatssicherheit“. Unter den Flüchtlingen seien auch etliche mit einer kriminiellen Vergangenheit, so Einwanderungsminister Ruddock.