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Lapsus Bush: Der US-Präsident stammelt den „clash of civilizations“ herbei

Es war wohl eher die übliche misslungene Suche nach dem richtigen Wort, die US-Präsident George W. Bush am Sonntag dazu brachte, den bevorstehenden „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerechnet als „Kreuzzug“ zu bezeichnen. Denn eigentlich wollte Bush der US-Bevölkerung nur mitteilen – durch die ständige Wiederholung von Worten wie „Entschlossenheit“ etwas tapsig unterstrichen –, dass es ein Missverständnis wäre zu glauben, die Regierung sei schwach, weil bisher ein schneller Militärschlag unterblieben ist. Vermutlich hätten ihm seine Redenschreiber das Wort „Kreuzzug“ herausgestrichen, wenn es nicht schon live gesendet worden wäre.

Falsche Worte entschlüpfen nur dann, wenn sie schon gedacht sind. Insofern verrät der Lapsus einiges darüber, welchen Kategorien der US-Präsident verhaftet ist. Ein Kreuzzug, im historischen Sinne also ein missionierender Feldzug des christlichen Abendlandes: Wie passt das zusammen mit einem Diskurs über das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen in den USA, mit dem Aufbau einer internationalen Koalition gegen den Terrorismus, an der sich möglichst viele arabische und muslimische Staaten beteiligen sollen? Es passt überhaupt nicht zusammen.

Nun kann sich der US-Präsident allerdings schlecht erneut an die Fernsehnation wenden: Sorry folks, war nicht so gemeint. Die Worte sind raus, und sie sind fatal. Der Lapsus des Präsidenten hat eine latente Unterströmung im Diskurs der US-Gesellschaft, immerhin des christlich-fundamentalistischsten Landes der Erde, an die Oberfläche gespült. Schon Bushs Fernsehansprache vom Mittwoch vergangener Woche, es stehe ein „monumentaler Kampf zwischen Gut und Böse“ bevor, offenbarte ein Denken, das jegliche Differenzierung unmöglich macht.

Bisher war es nur der ultrarechten „Christian Coalition“ des Fernsehpredigers Pat Robertson, einem echten Muslim-Hasser, vorbehalten, in der Politik „das Böse“ auszumachen: etwa bei Abtreibungsbefürwortern, Pornografen, der Trennung von Staat und Religion. Schon im Vorwahlkampf gehörte Robertson zu den engagiertesten Bush-Unterstützern – so dürfte nicht ohne Einfluss bleiben, was der Prediger jetzt verkündet: „Wir stehen nackt vor diesen Terroristen, die unser Land infiltriert haben. Wahrscheinlich gibt es zurzeit Zehntausende von ihnen in Amerika. (...) Sie spucken in Übersee seit Jahren ihren Hass gegen die USA. Überall in der arabischen Welt wird der Hass gegen die USA gesät ...“ Und der Präsident spricht von Kreuzzug. Ist da jemand überrascht über die zahlreichen Drohungen und Anschläge gegen muslimische Menschen in fast allen Teilen der USA? Und ist unbedingtes Vertrauen in die internationale Führungsfähigkeit dieser US-Regierung wirklich angebracht?

Ein Lapsus, ja. Aber ein gefährlicher. Bis jetzt sind die Anschläge auf World Trade Center und Pentagon noch kein „clash of civilisations“. Wenn Bush weiter so daherredet, kann es einer werden. BERND PICKERT