Teerhof als Energieschneise

■ Für Feng-Shui-Experten ist der Teerhof ein energetisches Problem / Helfen Strandkörbe aus der Misere? / Verein Ökostadt hatte zu „Neuer Bremer Streitkultur“ eingeladen

Eigentlich sollte an diesem Abend die „neue Streitkultur“ erprobt werden. Das sei zumindest das Ziel des Vereins „Ökostadt“ gewesen, als er eine neue Veranstaltungsreihe mit diesem Anliegen initiierte, so Sprecherin Heidemarie Herm-Wehner. Aber kaum hatten es sich am Montagabend alle Veranstaltungsgäste auf ihren Stühlen im Gästehaus der Universität bequem gemacht, mussten sie auch schon wieder aufstehen: Versteckspiel, bitte! Eine Hälfte der Erwachsenen, die ernsthaft über die Identität von Orten und über Feng Shui in der Stadtplanung diskutieren wollten, sollte sich auf dem Teerhof zwischen Veranstaltungsort und Weserburg verbergen, die anderen sollten sie suchen. Ergebnis: Man kann sich auf dem Teerhof nicht verstecken, es gibt keine geeigneten Nischen. Ein angeschlossener Rundgang über das Gelände mit dem Feng-Shui-Experten Andreas W. Schöning und dem Senatsdirektor a.D., Prof. Eberhard Kuhlenkampff sollte die DiskussionsteilnehmerInnen zusätzlich für ihre Wahrnehmung von öffentlichem Raum sensibilisieren.

Feng-Shui beschäftigt sich mit den „Energieströmen“ im menschlichen Bauen. Dabei wird versucht, den vermuteten Energiefluss so zu lenken, dass er weder zu stark beschleunigt noch gestaut wird. Als Beispiel für eine Schneise, durch die Energie beschleunigt wird, führte Andreas Schöning den Innenraum des Teerhofs vor.

Entsprechend deutlich fielen die Urteile nach der Erkundung des Areals an der Weser aus: TeilnehmerInnen empfanden ihn als „tot, kalt, wie eine Festung, spießig“, das vorhandene Grün wirke geplant und es sei alles von der selben Art. „Was wäre hier wohl los, wenn hier Herr Hundertwasser gewirkt hätte?“, fragte ein Teilnehmer.

Nur wenige verteidigten die Inselbebauung: Es sei „schön, dass keine Autos fahren.“ Und ein Bewohner des Teerhofs meinte, er wolle es gar nicht anders haben.

Schon zu diesem Zeitpunkt war klar: Das Ziel, zu mehr konstruktivem Streit anzuregen, hatten die Veranstalter erreicht.

Auch einen Blick in die Zukunft des Teerhofs entwarfen die TeilnehmerInnen: Holz und rauhe Steine sollten neben dem vorhandenen Glas und glatten Stein Verwendung finden, die Schaffung eines Mittelpunkts und die Aufstellung zusätzlicher Bänke wurde angeregt. Eine „ketzerische“ größere Veränderung schlug ein jüngerer Mann vor: Er wollte am liebsten die gesamte Bebauung abreißen, einige Lastwagenladungen Sand an die frei werdende Stelle schütten lassen und Strandkörbe aufstellen.

Vielleicht würde diese Idee zumindest das ebenfalls heiß diskutierte Problem lösen, dass der Teerhof anscheinend keine Identifikationsmöglichkeiten anbietet. Er sei ein öffentlicher Raum, in dem man keine Öffentlichkeit finde, so ein Diskussionsteilnehmer.

Über die Vergangenheit der Teerhofbebauung berichtete Eberhard Kuhlenkampff: In den 70er Jahren war ursprünglich eine Hochhausbebauung mit fünf bis zwanzig Stockwerken geplant. Die heutige Anlage der Gebäude geht auf den Versuch zurück, einen fischförmigen Platz zu schaffen, was im süddeutschen Raum laut Kuhlenkampff durchaus anerkannt und verbreitet sein soll. Der ehemalige Senatsdirektor sprach sich deutlich dagegen aus, von vornherein „Heiterkeit“ in öffentlichen Räumen planen zu wollen. Das führe zu Unübersichtlichkeit.

Neben den inhaltlichen Fragen, wie der Teerhof – und andere städtebauliche „Wunden“ – eine angenehmere Atmosphäre bekommen könnten, drückte das Gefühl, gegen „die da oben“ nicht anzukommen, deutlich auf die anfängliche Aufbruchstimmung, von nun an vieles besser zu machen. Wenn Beiräte engagiert für die Wünsche der Stadtteilbewohner einträten, würden sie einfach abgesetzt, klagte ein Mann aus Walle. Dennoch rief der frühere Senatsdirektor Kuhlenkampff nachdrücklich dazu auf, sich für die Stärkung der Beiräte einzusetzen. Auch Andreas Schöning stellte klar, dass nur das gebaut werden könne, was die Stadt – und im Endeffekt die BürgerInnen – zuließen.

Ulrike Bendrat