Airbase Ramstein ready for take-off

Im pfälzischen Ramstein wartet man auf den Einsatz der hier stationierten Amerikaner. Auf der Drehscheibe der US-Luftstreitkräfte für Europa werden die GIs und ihre Familien nach außen strikt abgeschottet: „No comment“

RAMSTEIN taz ■ Normalerweise brutzelt Mike in seiner Fischbude in Ramstein zur Lunchtime an die 100 Portionen Catfish Southern Style: für hungrige GIs aus Louisiana oder Texas von der nahen Airbase im Pfälzer Wald. Aber was ist schon normal, eine Woche nach dem Terroranschlag gegen die USA in New York und Washington? Kundschaft gibt es kaum noch. Die GIs auf der Base haben sich eingeigelt – und ihre Familien in den schwer bewachten Housing Areas auch.

Der Catfish ist Mike längst ausgegangen. Die Frachtflugzeuge aus New Orleans, die den Heringshai täglich nach Frankfurt, Germany, ausflogen, kommen seit dem „terrible tuesday“ nicht mehr. Für seine – wenigen – deutschen Kunden reibt Mike jetzt ordinären Kabeljau mit seiner fürchterlich scharfen Gewürzmischung ein. Der in Irland geborene Koch, der in Deutschland einen Imbiss für US-Amerikaner betreibt, zuckt mit den Schultern: „Vielleicht kommt ja am Wochenende wieder ein Frachtflugzeug. Vielleicht auch wochenlang kein einziges mehr, wenn es losgeht mit der Bombardierung der Terroristen.“ Mit denen kennt sich Mike aus. Er war in Belfast, als dort 1998 eine Bombe 28 Menschen tötete. Sagt er und spendiert ein Kilkenny. Rund um die Uhr läuft bei Mike der Fernseher: BBC und CNN.

Ramstein ist der größte Militärstützpunkt der US-Streitkräfte außerhalb der Staaten. Rund 40.000 US-Amerikaner leben hier. Seit einer Woche sind die Schulen auf der Base geschlossen. Kein Kind mehr soll die bewachten Housing Areas verlassen müssen. Auch die Erwachsenen sind angehalten, in ihrer Freizeit zu Hause oder auf dem Gelände zu bleiben und mit dem Auto den kürzesten Weg zum Dienst zu nehmen. Eingekauft wird nur noch in den PX-Läden in den Areas oder in den Depots auf der Base. Das zuvor gut funktionierende Zusammenleben zwischen Deutschen und US-Amerikanern auf dem „Flugzeugträger Ramstein“ ist zum Erliegen gekommen.

Amerikanische Firmen in Ramstein hatten in den Tagen nach dem „Desaster in NY“, so Autohändler Pete, ihre Läden ohnehin nicht geöffnet. Und die Ramsteiner sagten ihre für das vergangene Wochenende geplante Kerb ab. Das Volksfest war beliebt bei Deutschen und US-Amerikanern. Die Stadtverwaltung organisierte stattdessen einen Schweigemarsch zur Base. Vorneweg der Bürgermeister – Hand in Hand mit dem Standortkommandanten. Fast alle Ramsteiner kamen.

Pete verkauft „Used cars“ an die GIs und kann sich noch an andere Zeiten erinnern. Als bei der US-Flugshow vor dreizehn Jahren die drei Düsenjäger der Frecce-Tricolore-Kunstflugstaffel aus Italien abstürzten und ein Inferno auf der Base auslösten, in dem knapp hundert Menschen verbrannten, kam es in Ramstein zu antiamerikanischen Demonstrationen. Und die Bürgerinitiative „Mer schnappe nimmer!“ (Wir machen nicht mehr mit!) machte Stimmung gegen die „Kriegsspiele der Yankees“ im Pfälzer Wald.

Kritische Stimmen sind heute keine mehr zu hören, auch wenn alle wissen: Wenn es losgeht mit dem Militärschlag, wird Ramstein die Drehscheibe für die US-Luftwaffe – wie schon im Golfkrieg. Und deshalb vielleicht auch ein Ziel für Vergeltungsschläge von Terroristen. Ramstein ist Headquarter der US-Airforce in Europa. Das 86. Lufttransportgeschwader ist hier stationiert, im nahen Landstuhl befindet sich das Medical Center der US-Army; die weltweit größte Militärklinik. Auskünfte über den Stand der Vorbereitungen auf den Ernstfall gibt es von der Kommandozentrale der US-Amerikaner aktuell keine. Und wer die GIs befragt, die vor dem Gate zur Base Autos und Personen kontrollieren, bekommt die lapidare Antwort: „No comment.“

In Minutenabständen starten von der Base große Militär- und Passagiermaschinen. Die ranghöchsten US-Generäle in Europa sollen auf der Base getagt haben. Aber: „No comment!“ Eine Rollbahn auf der Base wird gerade verlängert, damit auch die Giganten der US-Luftstreitkräfte – Starlifter- und Galaxy-Transportmaschinen – problemlos in Ramstein landen und abheben können; den Flughafen selbst sichern Propellermaschinen vom Typ Hercules C-130.

Mike schließt schon um 14 Uhr seine Fischbude. Auch Pete fährt nach Hause. Er lebt schon lange als Zivilist in Ramstein – nach seiner Dienstzeit auf der Base, die 1984 endete. Ramstein wirkt unruhig eine Woche nach der Kriegserklärung der Terroristen an die USA.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT