Post-Goldschatz

■ North Of America versuchen sich an der Aktualisierung von Indierock

Dass Indierock als ein die Kenner begeisterndes Genre längst zu Grabe getragen wurde, ist nicht erst seit der Auflösung Pavements bekannt. Nur gelegentlich, wenn eine halbwegs viel versprechende Band mit vergleichbaren Gitarrensounds auf den Plan tritt, wird diese Etikette von der Musikjournaille wieder ausgegraben. Da heißt es dann: die Retter des Indierock! Heutzutage wird dieser Substil, wie es bei Punk und Hardcore schon länger gebräuchlich ist, inflationär mit dem Präfix „Post“ versehen – häufig weniger aus Gründen der stilistischen Weiterführung, sondern nur, um einem alten Phänomen scheinbare Aktualität zu verleihen.

Bei der Gruppe North Of America hingegen macht die Bezeichnung „Post-Indierock“ – so possenhaft der Begriff auch sein mag – durchaus Sinn, denn die Musiker dieser Band haben ihren Blick nach vorn gerichtet und sich während ihres vierjährigen Bestehens konstant weiterentwickelt. Besonders wohltuend ist ihre vollkommen unverkrampfte und bescheidene He-rangehensweise. Dabei verfügt das Quartett aus Halifax über ein künstlerisches Potenzial, das gleichgesinnte Bands wie Modest Mouse und Built To Spill geradezu blass aussehen lässt.

Dies hat auch das in Wiesbaden ansässige Kleinstlabel Rewika erkannt und sich schon früh die Europalizenz für den kanadischen Goldschatz gesichert. Alle Mitglieder von North Of America agieren als Songwriter, die Instrumente und Gesangsparts werden sowohl live als auch im Studio wechselweise übernommen, ohne dass das gesamtmusikalische Endprodukt dadurch an Homogenität verlieren würde.

Auf ihrem aktuellen Album This is Dance Floor Numerology widmen sie sich verstärkt schrägen Gitarren, jump-cut-ähnlich vertrackten Songstrukturen und kompliziert geschichteten Melodien. Trotz ihrer Komplexität kann zu den Songs aber auch hervorragend abgerockt werden. Wer beim letzten Hamburg-Gastspiel im Frühjahr 2000 zugegen war, kann bezeugen, dass Energie und Spielfreude der Band sich problemlos auf das geneigte Publikum übertragen. North Of America, so viel ist klar, proben keine Überwindung von Indierock, sondern sind eifrig mit dessen Aktualisierung beschäftigt. Im Vorprogramm lässt das junge Hamburger Trio Kaleva die avanciertere Gitarrenmusik der letzten Jahre Revue passieren.

Sandra Ziegelmüller

mit Kaleva: Sonntag, 21 Uhr, Knust