Bremen kennt keine „Härtefälle“

■ Der Bremer Ausländerausschuss ließ sich gestern von „Härtefall-Kommissionen“ in anderen Bundesländern berichten. Bremen ist weit entfernt von einem Bemühen um Konsens

Wenn es im Bundesland Bremen um Asylfälle geht, dann ist normalerweise Streit mit heftigen Vorwürfen angesagt. Weder gibt es einen ethischen Grundkonsens noch ein Verfahren, das der Suche nach Konsens eine Chance geben könnten.

Zum Beispiel die kurdisch-libanesische Familie El-Zein. Die Staatsanwaltschaft hat eine Strafanzeige des Antirassismus-Büros auf dem Tisch (AZ 260 Js 36666/01) und muss prüfen, ob der deutsche Konsul in Izmir und ein Beamter der Bremer Kripo sich den Vorwurf der „mittelbaren Falschbeurkundung“ gefallen lassen müssen. Hintergrund: Um die türkische Nationalität der libanesischen Familie nachzuweisen, hat der Konsul Dokumente der Schule in Izmir besorgt. Ihm zufolge h ist ein Sohn der Familie 1994 aus der Schule entlassen worden. Die Familie lebt aber schon seit 1988 in Deutschland. Der Konsul hat zudem falsche Formularblätter vorgelegt, die auch nicht ordentlich ausgefüllt wurden, das Geburtsdatum stimmt nicht mit dem des türkischen Melderegisters überein - alles eben eine Fälschung im Interesse der Abschiebung, ist auch Dania Schönhöfer von der Bremer Flüchtlingsinitiative überzeugt.

Der deutsche Konsul hat sich inzwischen gerechtfertigt: Der Sohn der Familie El-Zein sei eben 1994 aus dem Schulregister ausgetragen worden, weil er dort seit 1988 nicht mehr aufgetaucht sei, argumentiert der Konsul. Und die Schule habe keinen Fotokopierer, die richtigen Formulare seien eben ausgegangen. Dass die Formulare zudem nicht korrekt ausgefüllt seien, spreche für ihre Echtheit, argumentiert die Bremer Innerbehörde hilfsweise, denn: Wenn die Schule die Papiere für den deutschen Konsul gefälscht hätte, hätte sie sich mehr Mühe beim Ausfüllen gegeben.

Solche Argumente sind nicht geeignet, irgendjemanden davon zu überzeugen, dass hier ein rechtsstaatliches Verfahren beabsichtigt ist. Schon im niedersächsischen Innenministerium wird den türkischen Personenstandsregistern wenig Glaubwürdigkeit zugeschrieben, Eintragungen könnten „auch ohne Vorlage von Urkunden von entfernten Verwandten“ vorgenommen werden, weiß man da. Das Innenministerium möchte insgesamt, dass „sowohl bei den Ermittlungen als auch bei der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sensibel und mit Augenmaß“ vorgegangen wird, heißt es im Protokoll einer Dienstbesprechung vom 5.7.2001, das der taz vorliegt.

Zu dem Augenmaß gehört nach Ansicht der Bremer Sozialdeputation auch, dass man das „Wohl der Kinder“ abwägt in Fällen wie dem der Familie El -Zein, wo die Kinder in Deutschland aufgewachsen oder geboren sind und nicht einmal hinreichend türkisch sprechen, um sich nach einer Abschiebung in ihrem angeblichen Heimatland zurechtzufinden.

Der Ausländerausschuss der Bremischen Bürgerschaft hat sich gestern aus vier Bundesländern berichten lassen, wie dort versucht wird, in Asylfragen zu mehr gesellschaftlichem Konsens zu kommen. Dort nämlich gibt es zum Teil schon seit Jahren eine Härtefallkommission, die, so berichtete der Ministerialrat Peter Münch aus Nordrhein-Westfalen, inzwischen gelegentlich sogar von CDU-Politikern eingeschaltet wird. In dieser Kommission hat der Vertreter des Innenministeriums den Vorsitz und berät gemeinsam mit Vertretern der Kirchen und der Flüchtlings-Organisationen.

In vielen der Fälle, die ihr vorgelegt wurden, so berichtete Münch dem Bremer Ausländerausschuss, habe die Arbeit der Härtefall-Kommission eine Korrektur der Ermessens-Entscheidung bewirkt. Und weil die Kommission „von beiden Seiten“ akzeptiert werde, habe ihre Arbeit eine „hohe Befriedungsfunktion“. Gerichtliche Verfahren könnten diese politische Rolle nicht ersetzen, weil sie nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung überprüften und nicht die Frage aufwürfen, ob eine andere Ausnutzung des Ermessensspielraums aus humanitären Gründen geboten sei, erklärte der Ministerialdirigent aus Düsseldorf.

Der Bremer Ausländerausschuss will im kommenden Frühjahr beraten, ob eine vergleichbare Institution auch in Bremen hilfreich sein könnte.

Klaus Wolschner