TERROR-DEBATTE: DIE INFORMATION FEHLT, ALSO ENTSCHEIDET DAS GEFÜHL
: Über Angst lässt sich nicht streiten

Die Welt kennt nur noch ein Thema, und dem Publikum bleibt nichts übrig als mitzudebattieren: „Gegenschläge“, „Krieg“, „Eskalation“. An jedem Küchentisch, voller Inbrunst und Moral. Doch nie war eine Diskussion so deprimierend. Denn es gibt schlichtweg keine Informationen, deren Austausch die Debatte weiterbringen würde. Niemand lernt von niemandem etwas Neues, auf dass man These und Gegenthese überprüfen könnte, nein: Wir gucken alle bloß CNN und warten. Die Journalisten und die Politiker übrigens auch.

Es herrscht ohnmächtiger Informationsgleichstand, und deshalb sortieren sich die Meinungen nicht nach der unterschiedlichen Kollektion und Kombination von Nachrichten, sondern einzig nach der individuell verschiedenen Angst. Die Anschläge vom 11. September haben den Horizont des für möglich gehaltenen Schrecklichen bei allen erweitert, das je eigene Risikobewusstsein aber ganz unterschiedlich geschärft. Die einen fühlen sich unmittelbar bedroht und fürchten einen Dritten Weltkrieg, die anderen sehen nicht den geringsten Grund, sich nun auch um die Frankfurter Innenstadt oder das eigene Wohl und Wehe Sorgen zu machen, und reden von „Medien-Hysterie“.

Doch über Risiko lässt sich schlecht streiten. Angst hat man oder nicht, sie sucht sich ihre Gründe. Wer Angst hat, wird den 11. September als Zeitenwende bezeichnen, wer keine Angst hat, wird ihn in eine Reihe eindrücklicher Daten stellen, die vom, nun ja, krisenhaften Verlauf des US-amerikanisch gesteuerten Weltgeschehens zeugten, ohne dass unsereins davon die Marmelade vom Brot gerutscht wäre. Von der Bewertung des 11. September als etwas grundsätzlich Neuem hängt auch ab, ob die grundsätzlich neue Maßnahme, der Nato-Bündnisfall etwa, gerechtfertigt erscheint.

Und das macht die Debatte so unerträglich: Sie wird gelenkt von einem Faktor, der weder rational fassbar noch steuerbar ist, und ist eben deshalb doch auch so erhitzt. Das Schlimme daran: Der Respekt vor dem je unterschiedlich empfundenen Maß an Angst geht dabei verloren.

ULRIKE WINKELMANN