Elite zwischen Vorgärten

■ Campus statt Kaserne: Gestern feierte das erste private College in Grohn die offizielle Einweihung / Kritik an Millionen-Ausgaben der Stadt

Eigentlich hätten sich an so einem Donnerstag die Seminare wieder dicht gedrängt im Stundenplan. Breakfast dann Biochemistry und nach dem lunch weiter mit Computational Science oder Basics der Fine Arts and Literature. Gestern gab es noch einmal ein bisschen Pause vor dem enormen Stoffpensum, das an der International University Bremen (IUB) in drei statt üblicherweise in vier Jahren durchprescht werden soll.

Denn gestern feierten sie erst einmal die Einweihung der Örtlichkeiten – auch wenn die classes längst begonnen haben. Dafür kam alles was Rang und Namen hat nach Bremen-Grohn: Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), Bremens Senatoren, Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Die bestaunten, wie in ein paar Monaten und mit Hilfe vieler Millionen aus einer Kaserne ein Campus entstand, der einmal zur „ersten Adresse in der Welt“ werden soll.

130 Studis sind es, die an der IUB ihren Bachelor machen und im „Alfred Krupp College“ untergebracht sind. 141 Lerneifrige sollten es eigentlich sein. Aber elf hängen noch mangels Visa in ihren Ländern fest, musste Präsident Fritz Schaummann gestern einräumen. „In manchen Ländern gibt es außerordentliche Probleme“.

Bis zu den Einschreibungen gab es allerdings reichlich schlaflose Nächte für die Organisatoren. Zieht die IUB überhaupt Studis an? Nicht „wir machen eine Uni auf und keiner kommt“, hatte sich auch Raimar Lüst gesorgt, der Chairman im Board of Governors ist. Zur Akqusition ihrer künftigen students ist die Uni Grohn dann beinah weltweit in die Schulen gegangen, um für ihre Ausbildung zu werben. Bewerbungen kamen aber vor allen von Seiten der Professoren. Studierwillige schickten nur 350, obwohl man mit mindestens 1.000 gerechnet hatte. Trotzdem ein Erfolg, findet Fritz Schaumann – zumindest für den ersten Jahrgang, „unsere first class“.

Nicht mehr als 50 Prozent Deutsche sollen hier studieren – das war die Leitmarke der IUB bei der Studisuche, schon allein um den internationalen Status zu wahren. Doch so viele wurden es nie. Der Großteil der ersten Studigeneration, nämlich 70 Prozent, kommt aus 40 anderen Nationen, vor allem aus Osteuropa. 65 Prozent von ihnenbekommen finanzielle Unterstützung für das 15.000 Euro teure Studium.

Heutzutage und vor allem neun Tage nach dem Terroranschlag in den USA sei man mehr denn je auf solche „internationale Erfahrungen und Begegnungen angewiesen“, meinte Schaumann im Hinblick auf der Nationenmix, der gerade für die Studies besonders attraktiv ist. Viele von ihnen zogen allein wegen des „internationalen Flairs“ zur IUB, auch wenn das direkt an 60er-Jahre-Reihenhausidyllen grenzt.

Auch Altkanzler Helmut Schmidt staunte, was aus Bremen-Nord geworden ist. Als Rekrut hatte der heute 82-Jährige in Vegesack selbst und „ziemlich sinnlos“ gedient. Viel hat sich seitdem verändert. Jetzt gesellt sich zur ehemaligen roten Kaderschmiede der Bremer Uni eine internationale Elite-Hochschule, deren Embleme inzwischen auf Regenschirmen und Kaffeetassen vermarktet werden. Und das im schwer gebeutelten Bremen-Nord, wo erst der Vulkan pleite machte und dann auch noch die Bundeswehr wegwollte.

230 Millionen Mark war dem Bremer Senat die neue Uni und der Standort wert. Den einmaligen Zuschuss hat dabei nicht das Bildungs-, sondern das Wirtschaftsressort gezahlt. Als Investition in den Standort, wie Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) gestern immer wieder betonte. Schließlich hängen da Arbeitsplätze dran.

So ganz glauben wollen das längst nicht alle. „Eine Viertel Milliarde, um eine kleine private Hochschule ins Leben zu rufen“, empörte sich gestern die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Die versprochenen positiven Effekte seien doch ebenso spekulativ wie die der anderen Großprojekte der Großen Koalition: Musical und Space Park“. Internationale Verbindungen und Kaufkraftsteigerungen wären auch durch Förderung der öffentlichen Hochschulen möglich gewesen.

Kritik am Projekt sollte zum Fest-akt aber gar nicht erst aufkommen. Da übten sich alle in Harmonie. Die Uni Bremen beispielsweise wird nicht Konkurrent sondern Kooperations-Partner sein, betonte deren Rektor Jürgen Timm. Die Uni etwa könnte Forschungsschwerpunkte wie Meeresforschung anbieten, und von der IUB in Sachen „Lehre“ noch was lernen. Auch Ex-Kanzler Schmidt begrüßte den Wettbewerb im „verkrusteten Bildungssystem“.

Erst in vier Jahren allerdings wird die Uni Grohn komplett sein. 1.200 „hochmotivierte“ Studies sollen dann auf dem Campus unterkommen, der gestern im Dauerregen noch ein bisschen leblos wirkte. Dorothee Krumpipe