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: Fast alles wie gehabt: Die Spaßgesellschaft lebt weiter

Es liegt kein Grauschleier über dieser Kolumne

Nachdem sich Verlautbarungen zufolge die Welt seit Dienstag letzter Woche grundlegend verändert hatte, richtete man sich auf ein gänzlich umgekrempeltes Leben ein, um ab ungefähr Dienstag dieser Woche festzustellen: fast alles wie gehabt.

Es war eine Woche kurzfristiger Veränderungen: Nur noch Nachrichten schauen, nie wieder feiern, jeden Verkehrsknotenpunkt als Zielscheibe für ein mögliches Attentat fürchten, trotzdem auf die Straße gehen, Flagge zeigen und bekennen: Ich bin Amerikaner! Weil aber Amerika derzeit Vorbereitungen seiner landestypisch hemdsärmeligen Trauerarbeit trifft, zeigt man sich doch lieber wieder als kritischer Europäer.

Manche Sachen, so hört man, haben sich aber dennoch definitiv geändert: Liam Gallagher will nie wieder in die USA fliegen, während seine Kollegin Madonna überhaupt nicht mehr auf Tour gehen möchte, weil das Reisen einfach zu gefährlich ist. Was schon insofern verblüfft, als dass man davon ausgehen darf, dass Madonna mit dem Privatjet reist. Und Gallagher wahrscheinlich auch. Es war eine schwierige Woche für die Unterhaltungsindustrie. Dass diverse Filme vom Startplan genommen wurden, hat man schon gehört, doch nun meldet der NME exklusiv: Die beliebte britische Band Primal Scream mag ihr erst wenige Wochen altes Stück „Bomb The Pentagon“ schon heute nicht mehr spielen. Man ahnt, welch Eifer und Anstrengung es die Band gekostet haben mag, ihre Komposition mit dem gewünschten Provokationsgehalt zu sättigen, der nunmehr durch erklärtes Nichtspielen gewissermaßen ungenutzt verstreicht. War das also gar nicht so gemeint?

Während die einen sich wegducken, kommen andere wieder hervor. Mariah Carey, die derzeit nervenschwache Diva, die kürzlich erneut in psychiatrische Behandlung gewiesen wurde, weil sie angeblich für eine einzige Tüte Kartoffelchips immerhin 60 Meilen weit fuhr, wird angeblich heute im Rahmen eines Konzerts auftreten, dessen Erlös den Opfern des Anschlags zukommen wird. Doch was das nun alles mit dieser Kolumne zu tun hat? Nichts. Rein gar nichts sozusagen, denn hier ist ja eigentlich alles wie gehabt. Allein die Tatsache, dass derzeit ein jeder das Ende der Spaßgesellschaft verkündet, hängt wie ein Schatten über diesen Zeilen.

Denn nicht nur dass schwer zu sagen ist, wie sich der Begriff Spaßgesellschaft eigentlich definiert, hat man das Gefühl, dass gerade diese Kolumne eines ihrer symptomatischsten Folgen ist. Offenbar dem Profanen zugeneigt und erfrischend tief schürfend in ihrer schillernden Oberflächlichkeit. Das Ende der Spaßgesellschaft bedeutete damit auch das Ende dieser Kolumne. Doch da diese Kolumne ja noch existiert, müsste man der Spaßgesellschaft einen Lebensbeweis erbringen – zum Gegenbeweis ihrer mutmaßlichen Morbidität gewissermaßen.

Doch, und da stecken wir noch mehr in der Klemme, von Spaß war hier schon lange nicht mehr die Rede. Vielmehr wurde das graue Einerlei, das sich hinsichtlich Nachtleben, Alltag, Liebe und Shopping-Facilities wie ein Gespinst über die Stadt ausgebreitet zu haben schien, Satz für Satz untermauert, aufgebockt und ausgemalt, bis sich der ganze Nichtspaß quasi dialektisch hochschaukelte und vor lauter Quantität in eine neue Qualität kippte, die wiederum Spaß machte. So sieht das nämlich mit der Spaßgesellschaft aus. Und sie lebt. HARALD PETERS