Lehrstunde mit Sponsor und Schmalhans

Der Ex-Bahnchef Heinz Dürr ist Mäzen, seine Frau Hilde Erzieherin. Beide finanzieren über ihre Stiftung einen neuen Kindergarten. Der Staatssekretär murmelt etwas von einer „Qualitätsoffensive für Kitas“ und spendiert Überlegungen

Als letztens gut 100 Kinder und ihre Eltern einen neuen Kindergarten in der Charlottenburger Schillerstraße eröffneten, gab es eine Lehrstunde zu beobachten. Die vollkommen erneuerte Kindereinrichtung dort gilt als bundesweit modellhaft: Weil sie Zwei- bis Sechsjährige ganz anders erzieht; und weil sie sowohl die Eltern als auch den Kiez viel stärker in die Arbeit mit einbezieht.

Dieses erste deutsche early excellence centre oder, frei übersetzt, „Zentrum für exzellente Förderung von Kindern und Eltern“ war freilich nicht Gegenstand der Erkenntniserweiterung. Die Lehrstunde galt dem öffentlichen Zusammentreffen von Sponsor und Schmalhans, von Macher und Mängelverwalter. Im „Kinder- und Familienzentrum Schillerstraße“ begegneten sich Heinz und Heide Dürr sowie Thomas Härtel und Reinhard Naumann. Und Folgendes war Ausgangslage ihres Aufeinandertreffens: Die Dürrs werden über ihre Stiftung in den nächsten sechs Jahren 1,8 Millionen Mark in den neuartigen Kindergarten stecken. Die beiden sozialdemokratischen Berliner Bildungspolitiker können das nicht; stattdessen hatten sie warme Worte mitgebracht.

Lässiger konnte der ehemalige Bahnchef, Industrielle und heutige Mäzen seinen Trumpf kaum ziehen. Heinz Dürr meinte, eher beiläufig, nachdem er die hier geplante „Erziehung zu Toleranz“ gelobt hatte, er habe gehört, der Kindergarten benötige noch eine halbe Stelle. Dann guckte er in die Runde der anwesenden Erzieherinnen, die nicht recht glauben mochten, was dann passierte. „Das lässt sich machen“, spendierte Dürr die ersehnte halbe Beschäftigungsposition, wie aus dem Handgelenk. Und damit das nicht allzu gönnerhaft wirkte, forderte er, „einen ordentlichen Antrag dafür zu bekommen“.

Die Stiftung von Dürr ist drei Jahre jung. Sie fördert die humangenetische Forschung, das deutschsprachige Theater – und Kleinkinder. Allein in Berlin sponsert die Stiftung zusätzlich ein Mutter-Kind-Projekt für Deutschtürkinnen in Schöneberg und einen Müttertreff in der Kreuzberger Urbanstraße; auch Kindergartenprojekte in Brasilien, Indien und Vietnam erhalten Geld aus dem Fonds. Die Initiative dazu stammt von Heide Dürr, die Erzieherin und Psychologin ist. Ihr Mann sagte: „Der Staat hat in Deutschland relativ wenig Geld, die Wirtschaft relativ viel.“ Für ihn gelte daher: „Diejenigen, die Vermögen haben, müssen sich engagieren – und nicht nur mit großen Worten.“

Das müssen die beiden SPD-Politiker dann so verstanden haben, dass sie, wenn schon nicht fürs Geld, dann eben für die großen Worte zuständig sind. Thomas Härtel nannte den Kindergarten Schillerstraße, den das Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus betreibt, ein „Pilotprojekt für ganz Berlin“. Der Staatssekretär aus der Schulverwaltung murmelte verschwommen von einer „Qualitätsoffensive für Kitas“ und spendierte Überlegungen, „wie wir das hier als Schwerpunkt umzusetzen haben“. Was das bedeutete, blieb freilich ebenso unklar wie die Initiativen des Charlottenburger Bildungsstadtrats.

Reinhard Naumann, gleichfalls SPD, freute sich über den „Austausch von Wissen“ zwischen dem neuen Familienzentrum und einem bereits bestehenden. Und auch für die halbwüchsigen Kinder und ihre Eltern hatte er im Hof des Kindergartens eine Botschaft parat – als sechster Redner: „Wir merken an allen Ecken und Enden, dass Familie weggebrochen ist.“

Heinz Dürr nutzte indessen die Gunst der Stunde und verteilte noch ein paar spontane Geschenke. Bei einem Gang durch den Kindergarten entdeckte er einen Computer für die Kinder; da die Einrichtung aber drei Abteilungen hat, werden nun weitere zwei Rechner zur Verfügung gestellt – allerdings gebrauchte.

Auch Thomas Härtel, der Staatssekretär, hatte noch was zu erledigen. Ehe er die Eröffnungsveranstaltung verließ, musste er der Leiterin der Berliner Pestalozzi-Fröbel-Hauses noch etwas mitteilen. Das 125-jährige Fröbel-Haus ist ebenfalls eine Stiftung, eine des öffentlichen Rechts, das heißt sie hängt finanziell am Tropf des Berliner Senats: „Ich will Sie jetzt nicht schocken“, sagte der Staatssekretär zur Leiterin der ihm untergeordneten Einrichtung, „aber haben Sie eigentlich Ihren Sparbeitrag schon erbracht?“ CHRISTIAN FÜLLER