Alles richtig gemacht, BVB?

„Wenn man Wert auf Stabilität legt, leidet das Offensivspiel“: Borussia Dortmund zieht zu viele Lehren aus dem Länderspiel der DFB-Elf gegen England und trennt sich vom FC Liverpool nur 0:0

aus Dortmund ULRICH HESSE-LICHTENBERGER

Wer noch rätselte, warum die Uefa die Europacup-Spiele am Terror-Dienstag nicht absagte, der hat nun die Antwort: Die Champions League dient während der so genannten „ersten Gruppenphase“ als Werkzeug der Völkerverständigung. Der Zweck dieser Vorrundenspiele ist es, niemandem wehzutun, Gegentore und gelbe Karten zu vermeiden und Entscheidungen aufzuschieben.

Mit großer Perfektion führten dies Dortmund und Liverpool am Mittwoch im Westfalenstadion vor. Das 0:0 entsprach den Zielvorgaben beider Klubs. Zwar begann Liverpools Trainer Gerard Houllier seine Spielanalyse mit der Floskel „Wir wollten hier gewinnen“, führte dann aber sogleich aus: „Das Ergebnis beweist, dass wir in einer ausgeglichenen Gruppe spielen, und es lässt uns alle Möglichkeiten. Das ist wichtig, wenn man noch am Anfang eines Wettbewerbes steht.“ Ähnlich zufrieden zeigten sich auch seine Spieler. Während der tschechische Stürmer Vladimir Smicer (der nicht auflief) Landsleuten ein launiges Interview gab, bewiesen die Abwehrspieler Stephane Henchoz und Sami Hyypiä die für die Champions League nötigen mathematischen Fähigkeiten. „Es war ein gutes Resultat“, sagte Henchoz, „weil wir jetzt zweimal gegen Kiew spielen. Bei einem Heimsieg stehen wir gut da.“ Hyypiä rechnete vor: „Wir sind nur zwei Punkte hinter Porto, und es sind noch vier Partien zu spielen.“

Die Borussen müssen sich fragen, ob es nicht ein Fehler war, alles richtig zu machen. Trainer Matthias Sammer sagte zwar, er könne „mit dem Punkt leben“, lobte „den Abwehrverband, der keine Chance zugelassen hat“, und wies darauf hin, dass „die Gesamtsituation für den BVB nicht ungefährlich ist, weil wir ein Hammerspiel nach dem anderen haben“, sodass „die Überlegung war, Selbstvertrauen zu schaffen, indem man wieder Sicherheit ausstrahlt“. Doch als er dann auf die von der Uefa verteilten Ergebniszettel blickte, schüttelte er den Kopf: „Geht da denn alles drunter und drüber?“

Zweimal hätte der BVB das entscheidende Tor schießen können, zweimal landete der Ball am Außenpfosten. Zuerst war es Henchoz, dem die Übersicht abhanden kam (48.), dann scheiterte Tomas Rosicky mit einem Distanzschuss (69.). Mehr war nicht zu erwarten, weil die Aufgabe der drei Stürmer, wie Stefan Reuter ausführte, darin bestand, „die Positionen zu halten, damit Liverpool nicht richtig ins Mittelfeld spielen konnte und lange Bälle auf Michael Owen versuchen musste“. Owen konnte nicht mehr tun, als zweimal vergeblich Elfmeter zu fordern.

So war es also Liverpools Abwehrchef Hyypiä, der die einzige gute Möglichkeit der Gäste besaß (42.), während die Stürmer Owen und Emile Heskey knapp drei Wochen nach ihrer Stampede durch die Reihen des DFB-Teams keinen Auslauf bekamen. Der BVB hatte aus dem Länderspiel Lehren gezogen, aber vielleicht zu viele, um das 1:5 angemessen zu tilgen. „Wenn man Wert auf Stabilität legt“, gab Sammer zu, „leidet das Offensivspiel.“

Und doch zeigte der Abend, dass die Revanche für die Peinlichkeit von München ansatzweise geglückt ist. Vor dem Spiel stimmten die englischen Fans nämlich ein „Hey Baby“ an. Dieser alte Bruce-Channel-Heuler wurde zuerst in der NFL Europe restauriert, fiel dann einer Combo namens „Sound-Konvoy“ in die Hände, fand so seinen Weg in deutsche Fußballstadien und besetzt nun in der Version von DJ Ötzi den ersten Platz der Charts in England. Gemeiner kann man britische Popkultur nicht unterwandern: Erst zwingt man sie, europäischen Fußball zu spielen, dann wird ihnen ein Tiroler Koch als neuer Robbie Williams verkauft. Bald wird Michael Owen seine schlanken Wadln in Bayern-München-Stutzen stecken und von Loddar Matthäus trainert werden.

Borussia Dortmund: Lehmann – Wörns, Reuter, Kohler, Dede – Evanilson, Stevic – Rosicky – Sörensen (87. Ricken), Koller, Amoroso (87. Bobic) FC Liverpool: Dudek – Carragher, Henchoz, Hyypiä, Vignal – Gerrad, Hamann, Murphy, Riise (75. McAllister) – Owen, HeskeyZuschauer: 46.000